“Viel zu spät begreifen viele die verträumten Lebensziele: Freuden, Schönheit und Natur, Gesundheit, Reisen und Kultur. Darum Mensch sei zeitig weise! Höchste Zeit ist`s! Reise, reise!”
unbekannt
Von fernen Ländern habe ich schon als Kind geträumt. Wenn ich Bilder vom Tadsch Mahal oder Machu Picchu gesehen habe, von Flecken auf der Welt, die ich mit Müh und Not auf meinem altertümlichen Globus entdeckte, brach jedes Mal das Reisefieber in mir aus. Damals waren Flüge ein absoluter Luxus, stattdessen waren Badeurlaub an die Adria oder Sprachferien in England angesagt – in einem Ort, der sich aufgrund seiner Hässlichkeit auf ewig in mein Gedächtnis eingebrannt hat.
Verlockende Ränder der Welt
Heute, viele Jahre später, habe ich viele dieser Traumorte gesehen – nicht alle, schließlich müssen ein paar für die kommenden Jahre noch übrig bleiben. Und meine Vorstellungen von Reisen haben sich grundlegend geändert. Während ich früher einfach mal zwei Wochen am Strand abhängen konnte, von Inseln allenfalls die Bettenburgen und Diskotheken gesehen habe, zieht es mich heute in Regionen, die ich damals wahrscheinlich als „worst case“ eingestuft hätte. Ich musste erst lernen, dass Grönland, Spitzbergen und Nordnorwegen gar nicht so kalt und dunkel sind, wie ich lange glaubte. „Die Ränder der Welt“, im Süden wie im Norden, üben auf mich einen Reiz aus wie auf andere Menschen ein Traumstrand in der Karibik oder eine Mega-Metropole in Asien. Möglichst viele Eindrücke mitnehmen, Menschen treffen, fremde Kulturen erleben und versuchen, sie zu verstehen – das ist für mich der Sinn des Reisens. Wobei ich ganz bewusst nicht von Urlaub spreche.
Ich bin kein digitaler Nomade, was ihr an meiner Vita erkennen könnt. Ich will auch gar keiner sein, denn – so gerne ich reise, so gerne kehre ich auch wieder nach Hause zurück. Und das ist im Badischen, wo es sich ohnehin gut leben lässt, wo man bekanntermaßen von der Sonne verwöhnt wird und das Savoir vivre vor der Haustüre liegt. Als Redakteurin einer Tageszeitung habe ich meinen Wunschberuf gefunden, und ihm verdanke ich, dass ich beides miteinander verbinden kann: Schreiben und Reisen.
Reisen mit offenem Herzen
Ich habe viel erlebt, viel gesehen und vieles verarbeitet. Ich habe mich mit offenem Herzen auf einen Klosterurlaub in Korea eingelassen, ich habe mit ungläubigem Blick die riesigen Dünen der Namib betrachtet und aufmerksam die Geräusche in der grönländischen Diskobucht wahrgenommen. Mein schönstes Erlebnis? Das gibt es nicht. Oder vielleicht doch? Zwischen Tausenden von Pinguinen in der Antarktis war ich so ergriffen, dass ich sogar die Kamera aus der Hand gelegt habe. Es wäre einfach falsch gewesen, die schwarz-weißen Frackträger einfach zu einem Fotomotiv zu degradieren.
Sich von Ort zu Ort treiben lassen
Ich würde mich freuen, wenn ihr mit auf Reisen geht – zu den unterschiedlichsten Flecken auf diesem Globus, der so wunderschön und gleichzeitig so zerbrechlich ist. Folgt mir, wenn ich mit der „Aranui“ die entlegenen Inseln der Marquesas ansteuere, wenn ich mit dem „Royal Scotsman“ durch die Highlands tuckere, wenn ich im Heißluftballon das Erwachen des Tages über den goldenen Pagoden von Bagan erlebe. Ich bin den Mekong raufgeschippert, habe mich durch die Menschenmassen von Angkor Wat gequält, bin in Schweden den Helden meiner Kindheit begegnet. Satt vom Reisen bin ich noch lange nicht. Mein größter Traum: Irgendwann den Rucksack schnüren und sich von Ort zu Ort treiben lassen. Die Welt ist groß genug.
Eure Roswitha