Halbzeit auf unserer Kreuzfahrt von Australien nach Neuseeland: Über Nacht ist die “Vasco da Gama” von Stewart Island nach Dunedin geschippert, der Studentenstadt an der Südostküste von Neuseelands Südinsel. Wie ein Fjord zieht sich der Naturhafen ins Landesinnere, an dessen Ende die fünftgrößte Stadt Neuseelands liegt.
Die 30 Kilometer lange und bis zu zwölf Kilometer breite Otago-Halbinsel sei die Heimat von Albatrossen, Seelöwen und der seltenen Gelbaugenpinguine verkündet der Reiseführer. Deshalb quäle ich mich zu früher Stunde aus dem mollig-warmen Bett, um auch ja nicht die Einfahrt in den Wasserarm zu verpassen. Ein paar Delfine pflügen vergnügt durch die Bugwellen der “Vasco”. Das bleibt allerdings die einzige tierische Begegnung an diesem Morgen.
Inhaltsverzeichnis
Dunedin: gegründet von schottischen Siedlern
Der erste Eindruck von Dunedin: ganz schön schottisch, selbst wettertechnisch. Rund um den Octagon, Dunedins zentralen Platz mit der monumentalen St. Pauls Kathedrale, dem Rathaus und dem Regent Theatre, stehen elegante Gebäude im viktorianischen und edwardianischen Stil, wie sie auch in London oder Edinburgh zu finden sind.
Edinburgh war Namenspate
Der schottischen Hauptstadt verdankt der südliche Zwilling seinen Namen, denn Dunedin ist die anglisierte Form des schottisch-gälischen Namens Dùn Èideann für Edinburgh. Entsprechend stolz sind die 106 000 Einwohner auf ihr schottisches Erbe.
Die 1869 gegründete Universität, immerhin die älteste des Pazifikstaats, hat eine verblüffende Ähnlichkeit mit jener von Glasgow. Schuluniformen kommen im Karomuster daher, und eine Whisky-Destillerie gibt es natürlich auch. Im Wappen der 1848 von 347 schottischen Siedlern gegründeten Stadt geben sich folgerichtig ein Maori und ein Kiltträger die Hand.
Dunedin: reich durch den Goldrausch
Mitte des 19. Jahrhunderts war Dunedin die reichste Stadt der britischen Kronkolonie. Als 1861 “Gold,Gold,Gold”-Rufe durch das Land hallten,zog es Glücksritter in Scharen ans Ende der Welt. Schon nach wenigen Jahren war Dunedins Einwohnerzahl auf 16 000 geklettert.
Der neue Reichtum schlug sich im Stadtbild nieder. 1873 wurde die First Church aus dem cremefarbenen Oamaru-Stone errichtet. Ein paar Jahre später leistete man sich – nach dem Vorbild San Franciscos – das erste Cable Car der südlichen Hemisphäre.
Kaufleute wie David Theomin ließen sich feudale Herrenhäuser errichten. Die 35 Räume seines Heims wurden mit Keramiken aus Japan und China, Mobiliar aus Frankreich und Gemälden neuseeländischer Künstler ausgestattet. Heute streifen Besucher durch das historische Olveston-Haus.
Dunedins Bahnhof: ein fürstlicher Palast
Das wohl auffallendste Gebäude Dunedins ist das millionenfach fotografierte Bahnhofsgebäude. Dessen Fassade aus hellem Oamaru-Stone und dunklem Basalt ist eine wahre Augenweide. Mit seinen aufwändigen Stuckverzierungen, den vergoldeten Ornamenten und Figuren sowie den bunten Glasfenstern mit den Eisenbahnmotiven gleicht der Innenraum eher einem fürstlichen Palast denn einem schnöden Bahnhof.
Der Clou sind die über 700 000 Porzellanfliesen, die in einer der besten Manufakturen Großbritanniens gefertigt wurden. Sie formen halbrunde Nischen, Arabesken und das riesige Bodenmosaik, das eine Dampflokomotive zeigt.
Startpunkt der Museumsbahn „Taieri Gorge Railway”
Ob Joan K. Rowling einst hier war? In der Gleishalle könnte sie sich Inspiration für das Gleis 9 ¾ in ihren Harry-Potter-Büchern geholt haben. Regelzüge fahren hier schon lange nicht mehr ab, nur die bei Touristen beliebte Museumsbahn der „Taieri Gorge Railway”.
1879 war mit dem Bau einer insgesamt 235 Kilometer langen Eisenbahnstrecke begonnen worden, die die Siedler im Hinterland mit Gütern versorgen und ihnen Tiere und landwirtschaftliche Produkte abnehmen sollte.
Heute ist nur noch ein kurzes Stück mit Haarnadelkurven, dem fast 200 Meter langen Winagatui-Viadukt und zehn Tunnels übrig. Die Tunnel sind so eng, dass keine Hand zwischen Waggon und Felswand passt. Harry, Hermine & Ron hätten ihre Freude an dieser Fahrt.
Leider hat uns keiner gesagt, dass man Tickets schon Wochen im Voraus hätte buchen müssen. So bleiben wir in der Stadt, die dank der 20 000 Studenten ein quirliges Universum ist.
Die Baldwin Street: steilste Straße der Welt?
Der Baldwin Street zeigen wir die kalte Schulter. Das 350 Meter lange Sträßchen gilt wegen einer maximalen Steigung von 35 Prozent als steilste der Welt und ist jedes Jahr Schauplatz von etlichen skurrilen Wettbewerben – wie beispielsweise der neuseeländischen Variante des Entenrennens, bei der 30 000 Schokokugeln den Berg hinabrollen. Und natürlich haben sich auch schon Läufer und Radfahrer an die Herausforderung gewagt.
Prächtige Hausfassaden zeugen vom einstigen Reichtum Dunedins.
Dunedins spektakuläre Küste: der Tunnel Beach
Vom Rekordstatus einmal abgesehen: Eine Augenweide ist die Baldwin Street nicht, eher ein graues Asphaltband. Von daher fällt die Entscheidung für den atemberaubend schönen Tunnel Beach leicht. Der liegt einige Kilometer vom Stadtzentrum entfernt und ist Teil der Southern Scenic Route.
Vom Meer modellierte Felsformationen, eine wilde Brandung sowie ein von Hand in den Stein gehauener Tunnel sind die Zutaten für diesen spektakulären Küstenabschnitt, der mühelos mit dem öffentlichen Bus zu erreichen ist.
Ein paar Impressionen vom Tunnel Beach
Der kurze Wanderweg hat es in sich – vor allem auf dem Rückweg, wenn der Puls in ungeahnte Höhen schnellt und der Schweiß rennt. Da hilft nur eins: Pausen einlegen, sich um die eigene Achse drehen und den Blick auf die majestätischer Sandstein-Brücke und das türkisfarbene Meer genießen. Fast karibisch, denke ich mir, nur die unterkühlten neuseeländischen Temperaturen wollen nicht dazu passen.
Möchtest du wissen, wie es weitergeht? Im nächsten Beitrag geht es in die neuseeländischen Alpen.
Bei der Recherche wurde ich von Nicko Cruises unterstützt. Meine journalistische Unabhängigkeit bewahre ich mir trotzdem, denn ich bekomme kein Honorar. Wenn meine Zeilen begeistert klingen, dann weil mir Schiff und Tour gefallen haben. Dies ist meine persönliche Einschätzung.
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