Island ist das womöglich schönste Ziel für Natur- und Abenteuermenschen in Europa. Mitten im Nordatlantik, wo die Kontinentalplatten von Amerika und Eurasien auseinanderdriften und man buchstäblich mit beiden Beinen auf zwei Kontinenten stehen kann, hat sich Mutter Natur richtig verausgabt. Auf der Vulkaninsel, die mit 103 000 Quadratkilometern so groß wie Bayern und Baden-Württemberg ist, gibt es atemberaubende Wasserfälle im Überfluss, Furcht einflößende Schluchten, stinkende Erdlöcher, brodelnde Quellen und schwimmende Eisberge.
Inhaltsverzeichnis
Island: Ein bisschen Mittelerde, ein wenig Mordor
Zugegeben: Für wärmeliebende Zeitgenossen sind die Wetterverhältnisse eine einzige, sich von Tief zu Untief hangelnde Zumutung. Doch dafür sind die mystischen Landstriche eine einzige Offenbarung. Ein bisschen Mittelerde, ein wenig Mordor und ganz viel grüne Insel.
Es soll Menschen geben, die verfallen selbst in dieser menschenleeren Ecke Europas noch der Hektik und fahren in einer Woche einmal um die Vulkaninsel herum – die 1400 Kilometer lange Ringstraße macht es möglich. Doch die Schlauen lassen sich Zeit, schnüren die Wanderstiefel, klettern auf ein robustes Islandpferd – denn nur die beherrschen den Tölt – oder besteigen den Bus, der das einsame Herz des Hochlandes durchquert.
Island: Heimstatt von Menschen und Elfen
Menschen dürfte man dabei eher selten begegnen, denn auf Island leben gerade einmal 323 000 Menschen; ein gutes Drittel in der Hauptstadt Reykjavik. So fortschrittsaffin die Nordlichter in vielen Punkten sind, so sehr sind sie alten Bräuchen und Traditionen verhaftet. Wo auf der Welt gibt es eine staatlich anerkannte Elfenbeauftragte, die sich um die Belange des geheimnisvollen, weil unsichtbaren Volkes kümmert.
Ein Felsklotz für Elfen
Wo bitte lebt die Elfenkönigin? Etwas unschlüssig steht das kleine Touristengrüppchen vor dem zerfurchten Felsklotz, der so gar nicht zu den lieblichen, mit Wollblumen gesprenkelten Wiesen passen will. Im Sonnenlicht wirkt das dunkle Gestein noch schwärzer, die Gesteinsfurchen noch unergründlicher. Etwas Geisterhaftes geht von dem steinernen Klumpen aus, vor allem dann, wenn -was in dieser Gegend Islands nicht selten ist – Nebel über die Ostfjorde wabert.
Wäre Erla nicht gewesen, die aufgeräumte Isländerin mit dem entzückenden Akzent – die muntere Schar aus Deutschland wäre wohl nie nach Bakkagerdi gelangt, einem winzigen Weiler am fünf Kilometer langen Fjord mit dem unaussprechlichen Namen Borgafjördur eystri. Wer glaubt im dritten Jahrtausend schon an Geister? An Elfen, Gnome und Trolle, die mitten unter uns Menschen leben und für allerlei Schabernack verantwortlich sind?
Hochburg des “Huldufolks”
„Natürlich gibt es Elfen, jede Menge sogar“, erklärt Erla mit ernster Mine. Ausgerechnet diese Felsformation in dem verschlafenen Fischerdörfchen soll die Elfenkönigin als Residenz gewählt haben, – weshalb die Nordlichter den Hügel voller Stolz Alfaborg, Elfenburg, nennen?
Zahlreiche Geschichten ranken sich um die Erhebung: von Menschen, die in Liebe zu den überirdischen Geschöpfen entbrannten und urplötzlich verschwanden; von Elfen, die ihre Nachbarn mit Gold und Geschmeide überhäuften, weil sie Menschlichkeit an den Tag gelegt hatten. Nur heute wollen sich Frau Königin und ihr Gefolge partout nicht blicken lassen.
Vielleicht ist sie ja auch umgezogen, in die hufeisenförmige Schlucht von Asbyrgi im Jökulsargljufur-Nationalpark, die ebenfalls als Hochburg des unsichtbaren „Huldufolks“, des verborgenen Elfenvolkes, gilt. Und weil die Isländer für alles und jeden eine Erklärung aus der Welt des Übernatürlichen haben, sind ihnen wissenschaftliche Erklärungen, dass Gletscher für die ungewöhnliche Form der Schlucht verantwortlich sind, reichlich schnuppe. Dass Odins achtbeiniges Pferd Sleipnir seine Hufe hier in die Erde gebohrt hat, klingt ja auch viel besser.
Island und seine Geistergeschichten
Wer nach Bakkagerdi reist, landet zwangsläufig in einem Märchen aus vergangenen Jahrhunderten. Es muss an der unberührten, dramatischen Natur liegen, an der wilden Küstenlandschaft und der strahlenden Bergwelt, dass die paar Dutzend Einheimischen so unbeirrt an Trolle und Elfen glauben. Schon der Weg ist mit Geistergeschichten gepflastert. Im trüben, eiskalten Wasser des Lagarfljot, eines der größten Ströme Ostislands, soll sich seit Urzeiten ein hungriges Seeungeheuer tummeln, das den goldenen Ring einer Bauerstochter bis in alle Ewigkeit hüten muss.
Am Ostufer wird seit über 100 Jahren Islands größter Wald gehegt und gepflegt, dessen älteste Bäume kaum höher als ein putziges Einfamilienhaus sind. Und auf dem fruchtbaren Boden zu Füßen mächtiger Berge, die mit grünem Filz bespannt zu sein scheinen, tummeln sich genügsame Schafe und Islandponys. Mit etwas Glück entdeckt man auf der Vulkaninsel sogar ein Rentier, dessen Vorfahren Ende des 19. Jahrhunderts aus Lappland eingeführt wurden.
Meter für Meter schraubt sich die Straße nach oben, vorbei an längst verlassenen Gehöften und wild gezackten Tuffbergen, deren hell-dunkle Maserung aus dem Malkasten von Mutter Natur kommt. Wie eh und je schützt das Naddakross Reisende vor dem Ungeheuer Naddi. Heute sind es vor allem in Not geratene Automobilisten, die aus dem Straßengraben gefischt werden müssen, weil Bremsen und Reifen auf der Schotterpiste den Geist aufgaben.
Wäre J.R.R. Tolkien jemals nach Island gekommen, Heimat der Sagensammlung Edda, die ihn ein Leben lang gefesselt und inspiriert hat – im Osten des Vulkaneilandes auf zwei Kontinenten wäre er auf die passende Kulisse für sein „Herr der Ringe“-Opus gestoßen.
Es mag zwar keine gemütlichen Wohnhöhlen wie in Beutelsend geben, keine Elbenohren und keine mystischen Wälder wie in der Riddermark. Die gutmütigen, temperamentvollen Kleinpferde mit ihren wehenden Mähnen heißen auch nicht Schattenfell. Doch Islands stille Fjorde und die rauschenden Wasserfälle, die tiefschwarzen Kraterseen und taunassen Grashügel, die saftigen Wiesen voll leuchtender Lupinen und der noch immer aktive Vulkan Snæfell mit seiner weißen Kappe – sie gäben ein prächtiges Mittelerde ab.
Und wäre Liddarbakki, das wohl schönste Grassodenhaus in Bakkagerdi, nicht die passende Heimstatt für die beiden Ringträger Frodo und Samweis? Selbst die kleine Kirche des hübschen Fischerörtchens, deren Altarbild Jesus bei der Bergpredigt auf einer Elfenburg zeigt, fügt sich nahtlos in die Mythenwelt des Nordens ein, des Ortes der ewigen Schlacht zwischen Gut und Böse.
Was du unbedingt auf Island sehen musst…
Auf der Vulkaninsel im Nordatlantik, deren erster Name „Snæland“, Schneeland lautete, gibt es so viele Sagen und Legenden, wie es am Myvatn Mücken gibt. Nirgendwo sonst wird einem klarer, dass dieses raue Eiland aus Feuer geboren wurde.
Der Myvatn- der Mückensee
Hier liegt Teufels Küche oder ist es doch eher Tolkiens Mordor, Saurons sterbendes Land? Der Mückensee macht seinem Namen alle Ehre. Kaum nähert man sich dem Gewässer in Islands Nordosten, fallen die schwirrenden Plagegeister angriffslustig über das unschuldige Opfer her. Zielstrebig landen sie auf Kopf und Stirn, umkreisen mit nervtötendem Summen Ohrmuschel und Lippen, schrecken selbst vor dunklen Nasenlöchern nicht zurück.
Der Versuch, sich des unerwünschten Getiers durch wildes Umsichschlagen zu erwehren, ist zum Scheitern verurteilt: Es sind einfach zu viele Biester.
Wo die Erde brodelt
Kaum ein Islandtourist lässt diesen im Urzustand erstarrten Landstrich aus, der sich an öde Bergrücken mit Eiskappe kuschelt. Sein Status als Top-Sehenswürdigkeit verdankt der bis zu vier Meter tiefe Myvatn dem unablässigen Rumoren im Schoß von Mutter Erde. Die Singschwäne und Enten, die sich zu Hunderten auf dem See tummeln, die klein gewachsenen Islandpferde mit ihren wehenden Mähnen, die jahrein, jahraus auf sattgrünen Wiesen grasen, täuschen nicht darüber hinweg – der See mit seinen unzähligen Landzungen, die wie Finger in das spiegelglatte Wasser hineinragen, ist die letzte Abzweigung vor dem Reich der Unterwelt.
Hier brodelt und blubbert es ohne Unterlass. Schon wenige Meter vom Ufer entfernt kann man den Puls der Erde fühlen, zeugen zischende Dampffahnen und blubbernde Schlammtöpfe vom unruhigen Innenleben unseres Planeten.
Dimmuborgir: Lavafelsen wie Ungetümer
An der geologischen Nahtstelle zwischen Europa und Amerika, wo Erdbeben und Vulkanausbrüche wie am Fließband produziert werden, türmen sich zerklüftete schwarze Lavafelsen wie Ungetüme aus der Urzeit in den Himmel. Schwefelschwaden ziehen über frische Lavafelder, die nicht älter als 30 Jahre und noch nicht ganz erkaltet sind. Schlammtöpfe haben Schluckauf, die Erde speit Dampf, die brüchige Erdkruste scheint Eiterbeulen zu haben.
Gelblich schimmernde Schwefelkristalle überziehen die schorfige Haut dieser Mondlandschaft, in der Astronaut Neil Armstrong angeblich den großen Schritt für die Menschheit geübt haben soll. Auf Island kann man den Naturgewalten bei der Arbeit zusehen, und wer beim Spaziergang vorbei an rötlichen und ockerfarbenen Erdtöpfen und blaugrau blubbernden Becken nicht höllisch aufpasst, wird ganz schnell gegart.
Das Lavafeld Dimmuborgir – auch die dunkle Stadt genannt – wurde wie der Mývatn durch einen Vulkanausbruch erschaffen. In dieser bizarren Landschaft aus Türmen, Mauern und Höhlen haben sich Islands vulkanische Kräfte nach Herzenslust ausgetobt. Selbst fantasielose Zeitgenossen glauben in den schwarzen Lavaformationen Gesichter und Figuren zu erkennen, die sich je nach Blickwinkel zeigen und wieder verschwinden.
Entstanden ist das rund vier Quadratkilometer große Lavafeld vor rund 2.000 Jahren aus Feuer und Wasser. Damals gab es hier einen großen See, der während einer Eruption mit der sogenannten Laxa-Lava überflutet wurde. Das verdampfende Wasser und die Lava schufen diese mystischen Formen, die über etliche Wanderwege miteinander verbunden sind. Doch Vorsicht: Einige haben sich in diesem Labyrinth verlaufen, andere sind abseits der Wege in Hohlwege eingebrochen.
Die Blaue Lagune: baden in milchig-weißem Wasser
Für die Isländer ist das Chemielabor von Mutter Erde Fluch und Segen zugleich. Ganz in der Nähe des Mückensees zieht sich ein Gewirr aus Röhren durch die Einöde rund um die schlafenden Feuerriesen – untrügliches Zeichen für die geothermale Nutzung des nie versiegenden Energiepotenzial dieses unruhigen Landstrichs.
In der Hauptstadt Reykjavik werden nahezu 90 Prozent aller Gebäude über Erdwärme versorgt, und ein Bad im milchig-weißen Wasser der Blauen Lagune im jüngsten Lavafeld West-Islands ist ein beliebter Zeitvertreib bis zum Abflug. Billig ist das Bad im Thermalsee allerdings nicht. Das Tagesticket, das im voraus gebucht werden muss, kostet mindestens 45 Euro; wer das luxuriösere Premium-Paket möchte zahlt 64 Euro.
Nicht jeder Isländer sieht das wirtschaftliche Interesse an einem der letzten Wildnisgebiete Europas mit Gefallen, wobei es keineswegs nur um die Verschandelung der Landschaft geht: Als der staatliche Energiekonzern Anfang der 70er-Jahre einen Staudamm am Abfluss des Myvatn bauen wollte, sprengten erzürnte Bauern den halb fertigen Damm kurzerhand in die Luft.
Islands Vulkane: die Launen der Götter
Kaum ein Jahr vergeht, ohne dass feuerrote Magmafontänen und dramatische Aschewolken die einsamen Gehöfte mit ihren heimatverbundenen Bewohnern Islands bedrohen, während sich Katastrophentouristen über fulminante Fotomotive freuen.
Islands Natur ist so wild und ungezügelt, dass seine ersten Bewohner – raue, unabhängige und stolze Wikinger aus Norwegen- gar nicht anders konnten, als sich dieses Feuer speiende Land mit den Launen der Götter zu erklären. Jedem isländischen Vulkan wurde eine Legende geschenkt, nur der Eyjafjallajökull ging leer aus – wofür sich das „Aschemonster“ ja auch böse rächte: Im April 2010 legte er tagelang den Flugverkehr über halb Europa lahm.
Nirgendwo auf Island mit seinen 22 aktiven Vulkanen, den 780 heißen Quellen und der weltweit drittgrößten Eiskappe (nach der Antarktis und Grönland) haben Wasser und Lava so sehr das Erscheinungsbild der Landschaft geprägt wie im Nordosten der Insel, wo der Polarkreis nur noch einen Steinwurf entfernt liegt. 30 Kilometer vom Myvatn entfernt gleicht die Landschaft einer Wüste.
Ein paar Meter von der Ringstraße entfernt stehen die Markierungen des alten Postwegs – mannshohe Kegel aus aufgeschichteten schwarzen Lavabrocken, die in dieser menschenleeren Einöde wie Reliquien einer untergegangenen Kultur wirken. Am Horizont türmen sich mächtige Tafelberge mit einer Tischdecke aus Eis auf, darüber spannt sich ein scheinbar unendlicher Himmel, an dem dunkelgraue Wolkenbänder Vorboten der nächsten Schlechtwetterfront spielen.
Der Dettifoss: Europas größter Wasserfall
In diesem Tal, durch den die Jokülsa, Islands zweitlängster Fluss gurgelt, wächst nichts; nur ein paar kümmerliche Moospolster krallen sich an Steinen und Schutt fest. So unscheinbar der Abfluss des 8100 Quadratkilometer großen Vatnajökull-Gletschers auf den ersten Blick wirken mag, so unglaubliches hat er im Lauf von Abertausenden Jahren geschaffen. Am Dettifoss, Europas größtem Wasserfall, zeigen sich die Kräfte der Natur entfesselt wie an kaum einem anderen Ort.
Es donnert und rauscht ohrenbetäubend. Klein, fast winzig steht der Mensch vor den gewaltigen Wassermassen, die sich 44 Meter tief in die Schlucht stürzen, um von dort reißend ihren Weg zum Nordmeer zu suchen. Geisterhafte Gischtfahnen umhüllen das Spektakel, dessen Anblick magisch, fast übernatürlich wirkt.
Die Schlucht von Asbyrgi
Mit seiner unbändigen Kraft hat der Gletscherfluss Islands längsten Canyon in das Basaltgestein gefräst, darunter auch die hufeisenförmige Schlucht von Asbyrgi mit ihren bis zu 100 Meter steil aufragenden Felswänden. Jahr für Jahr schaufelt der Fluss acht Millionen Tonnen Sedimentschutt ins Meer. Kein Wunder, dass Starregisseur Ridley Scott diese urzeitliche Kulisse für seinen Science-Fiction-Streifen „Prometheus“ auswählte.
Wenn Elfen auf Infrastruktur treffen…
Angesichts solch scheinbar titanischer Kräfte ist es nicht verwunderlich, dass selbst aufgeklärte Isländer hinter jedem Stein, hinter jeder Biegung übernatürliche Mächte wittern. Als einst im Großraum von Reykjavik eine Straße gebaut werden sollte, widersetzte sich ein recht kleiner Stein der Sprengung.
Hilfe kam von einem Bauern: Dem waren im Traum Elfen erschienen, deren Zwergenheim just jener Felsbrocken war. Die Planer reagierten prompt, planten die Straße mit einem Knick und schlossen Frieden mit dem erzürnten Elfenvolk.
Wer weder diese Lichtgestalten zu Gesicht bekommt, noch die Trolle – das sind jene ungepflegten, kauzigen Nachtschwärmer, die zu Stein erstarren, sobald sie ein Sonnenstrahl trifft – dem bleibt nur der Besuch in einem Souvenirshop, irgendwo auf Island. Dort gibt es sie in allen Ausführungen: in Öl, in Plastik, aus Porzellan und selbst aus Strick.
Welches ist für euch der schönste Platz in Island? Und was sollte ich bei meinem nächsten Besuch auf der Vulkaninsel auf zwei Kontinenten unbedingt ansehen? Schreibt mir doch einfach. Und wenn euch dieser Test gefallen hat, dann teilt ihn doch auf euren sozialen Netzwerken.
Andreas mit seinem Reiseblog Reisewut ist ein echter Islandkenner. Auf seinen Seiten findest du alles, was du zu einem Islandurlaub wissen musst und viele gute Tipps zu eher unbekannten Sehenswürdigkeiten auf der Insel.
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