Es ist der letzte Hafen auf unserer Kreuzfahrt vom australischen Sydney ins neuseeländische Auckland: Waitangi in der Region Northland auf Neuseelands Nordinsel. Rund 3500 Seemeilen liegen hinter der „Vasco da Gama“, die unter portugiesischer Flagge fährt. Morgen wird der 219 Meter lange und 31 Meter breite Ozeandampfer in Auckland ankern. Aber nach dem Abstecher ins zum thermalen Wunderwelt von Neuseeland wollen wir nun die Bay of Islands erkunden, ein beliebtes Urlaubsziel der „Kiwis“.
Inhaltsverzeichnis
Waitangi: die Ankunft der Europäer
Der Anblick ist heute so furchteinflößend wie damals. Breitbeinig steht er da, jede Faser des mit geheimnisvollen Symbolen tätowierten Körpers aufs Äußerste gespannt.
Der Blick ist grimmig; die diabolisch verdrehten Augen quellen aus ihren Höhlen; die rausgestreckte Zunge zuckt wild auf und ab.
Auf Captain James Cook und die Mannschaft der “Endeavour” wirkte dieser befremdliche Auftritt sicherlich nicht vertrauenerweckend – dabei war es nur das übliche Begrüßungsritual der Einheimischen auf der Insel Motuarohia.
Cooks erstes Treffen mit den Maori
Die erste Begegnung zwischen Europäern und Maori verlief deshalb auch reichlich unschön: Als einer der Maori-Krieger mit einem Speer bewaffnet auf die Fremden zukam, sank er getroffen von einer Kugel zu Boden.
Dass das Missverständnis nicht zum Krieg ausartete, war nur den Übersetzungskünsten von Tupaia zu verdanken. Der Mannes von den Gesellschaftsinseln begleitete den Weltumsegler Cook auf seiner Südsee-Expedition begleitete.
Historischer Boden: die Waitangi Treaty Grounds
Es gibt keinen besseren Ort, um die rituellen Maori-Tänze zu erleben als den Ort Waitangi – wenn es schon kein Länderspiel der “All Blacks” ist, der neuseeländischen Rugby-Nationalmannschaft, deren Haka selbst den potentesten Gegner einschüchtert.
Waitangi: Das ist historischer Boden mit Legendenstatus, ein Eckstein neuseeländischer Identität. Denn der Ort an der traumhaft schönen Bay of islands ist sozusagen die Geburtsstätte der Nation.
Schon 1833 befand sich hier ein wichtiger Handelsposten. Allerdings ging es zwischen britischen Einwanderern und ansässigen Maoris nicht immer friedlich zu.
Vor allem um die Landverteilung kam es wieder zu mörderischen Konflikten. Nach Maori-Verständnis gehört alles Land dem Stamm und steht deshalb auch nicht zum Verkauf. Den neuen Siedlern war das erklärtermaßen ein Dorn im Auge.
1840 einigten sich Maori-Häuptlinge und Vertreter der britischen Krone schließlich auf einen Friedensvertrag, der den Briten die Souveränität über den Inselstaat sichern und den indigenen Stämmen ihr Recht am Land und die kulturelle Identität garantierten sollte.
Neuseelands Geburtsurkunde: der Vertrag von Waitangi
Der Vertrag von Waitangi wird deshalb als Gründungsdokument des Pazifikstaates angesehen, der 6. Februar als Geburtsstunde. Entsprechend groß wird überall im Land am Waitangi-Day, der Nationalfeiertag, gefeiert.
Ein Besuch der Waitangi Treaty Grounds, nur wenige Minuten von der ländlichen Ortschaft Paihia entfernt ist deshalb auch für alle geschichtlich Interessierten Pflicht. Ein Flaggenmast markiert jene Stelle, wo der Pakt von Waitangi während einer feierlichen Zeremonie unterschrieben wurde. Wie man heute weiß, wurde der Vertrag nur von verhältnismäßig wenigen Häuptlingen unterzeichnet.
Der berüchtigte Haka als Touristenspektakel
In den beiden Museen, wo die Geschichte der einstigen Kronkolonie in unterhaltsamer und interaktiver Weise erzählt wird, trifft Zeitgenössisches auf Historie. Eine Kopie des Vertrages, dessen Übersetzung in die überaus bildreiche Sprache der Maori zahlreiche Türen für Missverständnisse öffnete, ist hinter Glas zu sehen.
Ein Kriegskanu im Guinness-Buch der Rekorde
Im Versammlungshaus, Marae genannt, geben Stammesangehörige Einblick in ihre Kultur. Dort führen sie den berüchtigten Haka auf. Sie erklären die aufwendigen Muster der Gesichtstattoos oder tischen das traditionelle Erdofen-Essen auf.
Zu den Highlights der Sammlung zählt das weltgrößte Kriegs-Kanu, das jedes Jahr am „Waitangi Day” zu Wasser gelassen wird. Das 36 Meter lange, aus drei mächtigen Kauri-Bäumen gefertigte Boot, bot Platz für 150 Krieger. 80 Ruderer waren nötig, um es ins Fahrt zu bringen. Das brachte dem über und über mit Schnitzereien geschmückte Kanu einen Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde ein.
Waitangi: heiliger Boden der Maoris
Für die Maori ist Neuseelands nördöstlichste Ecken heiliger Boden. Denn hier soll ihr berühmter Vorfahre Kupe vor über 1000 Jahren an Land gegangen sein. Laut Schöpfungsgeschichte habe er in der alten, mythischen Heimat Hawaiki seinen Cousin ertränkt und dessen Frau entführt.
So blieb dem Stammesführer nur die Flucht übers Meer in einem hölzernen Kanu, dem Waka. Die Himmelsgestirne und die vorherrschenden Winde wiesen ihm und seiner Mannschaft den Weg.
Womöglich wurde die Entdeckung Aotearoas, des Landes der langen weißen Wolke, auch durch die Beobachtung des Vogelfluges begünstigt.
Pfuhlschnepfen stellen während der Migration von ihren Brutplätzen in Alaska zum Winterquartier in Neuseeland regelmäßig Weltrekorde im Non-Stop-Flug auf: Ein Vertreter mit der Kennung “E7” schaffte sagenhafte 11600 Kilometer ohne Zwischenlandung. Es könnte durchaus sein, dass die Maori einfach den Vogelschwärmen gefolgt sind, so der Tourguide der Waitangi Treaty Grounds:
Schlussendlich müssen die Vögel ja irgendwo landen.
Die Bay of Islands: eine beliebte Urlaubsregion
Abgesehen von der historischen Bedeutung von Neuseelands Nordosten: Wer in der Bay of Islands ankommt, einer beliebten Urlaubsdestination rund drei Fahrstunden nördlich von Auckland, wird der Versuchung des Meeres nicht widerstehen können.
Ein Archipel aus 144 Inseln
Rund 20 Kilometer zieht sich die Bucht ins Landesinnere. Ihren Namen verdankt sie den insgesamt 144 Inseln. Manche sind nur ein Felsbrocken im Meer, andere wie das geschichtsträchtige Eiland Urupukapuka locken mit Archäologiepfad zu den Überresten einstiger Maori-Dörfer, einer Kormoran-Kolonie und einem kleinen Zeltplatz.
Auf der benachbarten Insel Motuarohia, auch bekannt als Roberton Island, können Besucher auf einen Aussichtspunkt hochstiefeln. Der Blick auf die durch einen schmalen Landrücken getrennte Twin Lagoons Bay ist atemberaubend. Angeblich ist dieses Panorama das meistfotografierte Motiv der gesamten Bay of Islands.
Mit dem Boot durch die Bay od Islands
Den Mitbewerber auf diesen Titel erreichen wir mit der „Arataki” von Island Getaway. Mit einem Affenzahn düst das Boot von Skipper Russel durch die Bucht, vorbei an den sechs größeren Inseln und dem Haufen Winzlingen, auf denen gerade mal ein großblättriger Pukanui Platz findet.
Oft surfen Delfine im Kielwasser unseres Schiffes
erzählt Bluebell. Sie kam vor Jahren aus dem verregneten England in die subtropische Bay of Islands. Spontan verliebte sie sich in die elysische Ecke und heuerte auf der „Arataki” an.
Der Felsen „Hole in the Rock“
Doch heute lässt sich keiner der Großen Tümmler blicken, die sich rund um Neuseelands Nordspitze tummeln. Als Entschädigung gibt es bunte Fischschwärme, die den Hole-in-the-Rock-Felsen umkreisen. Der scheunengroße Durchgang im Sandsteinfelsen Piercy Island ist das Werk von Wind und Wellen. Er ist nicht nur ein beliebtes Postkartenmotiv, sondern auch Spielplatz unzähliger Meeresbewohner.
Bei gutem Wetter können die zahlreichen Ausflugsboote, die tagtäglich auf der Suche nach Walen durch die Bucht pflügen, durch das „Hole in the Rock” schippern. Doch heute sind Wellengang und Brandung viel zu stark: Schließlich liegt das offene Meer gleich um die Ecke.
Der Leuchtturm auf der Cape-Brett-Halbinsel
Niemand weiß, wie viele Schiffe vor der gegenüberliegenden, überaus steilen Cape Brett-Halbinsel mit dem historischen Leuchtturm gesunken sind. Der wurde 1910 auf einer spektakulär gelegenen Klippe errichtet und hat im Lauf seiner fast 70-jährigen Betriebszeit 63 Leuchtturmwärter und ihre Familien gesehen.
Potenzielle Anwärter für den Job hatten nüchtern, ehrlich und bei gesunder Gesundheit zu sein und durften schwere Arbeit nicht scheuen. Sie waren nicht nur Wächter des Lichts, sondern zugleich auch Postmeister, Wetterfrosch und Handwerker, nicht zuletzt Lehrer für den eigenen Nachwuchs.
Heute kann das Leuchtturmwärterhaus über das Departement of Conversation für wenig Geld gebucht werden. Hin kommt man entweder per Wassertaxi oder per achtstündigem Fußmarsch auf dem Cape Brett-Tack.
Abschied von Neuseeland
Am späten Nachmittag lichtet die „Vasco da Gama” den Anker. Es heißt Abschied nehmen von der „Bay of Islands”. Dabei gäbe es noch so viel zu sehen
• den geschichtsträchtigen Ort Russell, der einmal sogar Hauptstadt Neuseelands war
• den bis zu 200 Meter breiten Ninety Mile Beach, der in Wirklichkeit nur 88 Kilometer lang ist
• oder Cape Reinga, den nördlichsten Punkt Neuseelands, von dem die Maoris glauben, dass von hier aus die Seelen der Verstorbenen in Jenseits hinübergehen.
Vor der „Vasco” liegt die letzte Etappe der 20-tägigen Reise nach Auckland. Viel sehen werden wir nicht von Neuseelands größter Stadt: ein kurzer Blick auf den 328 Meter hohen Skytower, ein rascher Abstecher zum Mount Eden, einem saftig-grünen Vulkankrater – dann geht es zum Flughafen. Im Gepäck. Abertausende Erinnerungen an freundliche Menschen und an eine spektakuläre Natur, die wir hoffentlich eines Tages wiedersehen.
Das war der letzte Beitrag zu unserer Kreuzfahrt von Australien nach Neuseeland. Bei der Recherche wurde ich von Nicko Cruises unterstützt. Meine journalistische Unabhängigkeit bewahre ich mir trotzdem, denn ich bekomme kein Honorar. Wenn meine Zeilen begeistert klingen, dann weil mir Schiff und Tour gefallen haben. Dies ist meine persönliche Einschätzung.
Wenn du wissen möchtest, wie es auf unserer Seereise von Sydney nach Auckland weitergeht, schau einfach hier vorbei. Und hier gibt es noch mehr Impressionen von der 20-tägigen Seereise mit der Vasco da Gama.