Langsam neigt sich unsere Kreuzfahrt mit der Vasco da Gama dem Ende entgegen. Die Straßenschluchten von Melbourne, die Natur von Stewart Island, das schottische Erbe in Dunedin – all das ist tief in den Erinnerungen verankert.
Tauranga auf Neuseelands Nordinsel ist einer der letzten Häfen auf unserer 3697 Seemeilen langen Kreuzfahrt vom australischen Sydney ins neuseeländische Auckland. Die Hafenstadt in der Bay of Plenty mit ihren traumhaften Strände ist der ideale Ausgangspunkt für Touren nach Rotorua. Das glühende Herz des Pazifikstaates weißt eine der höchsten geothermischen Aktivitäten der Welt auf.
Inhaltsverzeichnis
Pohutu: der größte Geysir der südlichen Hemisphäre
Pohutu legt ein Päuschen ein. Normalerweise tickt der bekannteste Geysir unweit des gut 77 000 Einwohner zählenden Kurortes Rotorua so zuverlässig wie ein Schweizer Uhrwerk. Ein bis zweimal pro Stunde schleudert er eine 30 Meter hohe, kochend heiße Wasserfontäne in den Himmel. Doch heute gönnt sich die größte Attraktion des Geothermalparks Te Puia eine Auszeit. Übrigens bedeutet der Name übersetzt aus der Sprache der Maori “großer Spritzer”.
Immerhin lassen die kleineren Geysire ihre Muskeln spielen und hüllen die weiß und schwarz schimmernden Sinterterrassen in einen feinen Sprühnebel – sehr zur Freude der Zuschauer auf der Aussichtsplattform, die aus sicherer Entfernung die Galavorstellung von Mutter Erde verfolgen.
Rotorua: geboren auf dem Pazifischen Feuerring
Das Thermalfeld mit seinen sieben, derzeit noch aktiven Geysiren ist das größte des geographisch isolierten Inselstaats im südlichen Pazifik. Dessen Eilande wurden ziemlich spät besiedelt, wahrscheinlich durch Polynesier im 10. Jahrhundert. Die hatten sich in ihren aus einem einzigen Baumstamm gehauenen Kanus auf den langen Weg gemacht.
Vulkankrater, Fumarolen und Schlammlöcher
Aotearoa, wie Neuseeland in der Sprache der Maori heißt, ist auch sonst ziemlich jung und dynamisch. Das hängt mit seiner Lage auf dem Pazifischen Feuerring zusammen. Weil hier australische und pazifische Erdplatte aufeinanderprallen, was wie bei einem Crash nie ohne Folgen bleibt, ist das Land in Ozeanien das reinste tektonische Minenfeld.
Die vielen Vulkankrater, quer über die Nordinsel verteilt, zeugen von verheerenden Ausbrüchen in der Vergangenheit. Seismographen zeichnen bis zu 20.000 Erdbeben pro Jahr auf. Von denen bleiben die meisten glücklicherweise folgenlos. Bei dem großen Beben im Februar 2011 wurde allerdings Christchurch in Schutt und Asche gelegt. Das prominenteste Bauwerk, das durch das Erdbeben zerstört wurde, war die Kathedrale. Deren Wiederaufbau dauert noch immer an.
Thermalwasser schillert in allen Farben
Unter dem Herz der Nordinsel, zwischen Rotorua und Taupo, brodelt es gewaltig. Es gibt Dampf speiende Fumarolen und blubbernde Schlammlöcher, deren Brei in unzähligen Spa-Hotels gegen rheumatische Beschwerden und für reine Haut verwendet wird.
Es gibt perlende “Champagner-Pools”, strahlend weiße Sinterterrassen und heiße Pools, die dank der im Thermalwasser gelösten Mineralien orange, giftgrün und gletscherblau schillern.
Alles liegt eingebettet in ein üppig-grünes Tal mit riesigen Silber-Baumfarnen, den sogenannten Pongas. Deren Silhouette schmückt die Trikots der Rugby-Heroen der “All Blacks” und ziert als Tätowierung das Gesicht eines Maori. Heute zählt der Silberfarn neben dem flugunfähigen Kiwi zu den Wahrzeichen des Pazifikstaats.
Schwefelgestank liegt über Rotorua
Rotorua, fotogen gelegen am südlichen Ende des gleichnamigen Sees, ist ohne Zweifel die Hauptstadt dieses heißblütigen Wunderlandes. Zahlreiche Sagen, Mythen und Märchen der Maori ranken sich um die von der Natur begünstigte Stadt, die 1901 zum Kurort erhoben worden war.
Ein beißender Schwefelgestank liegt über der Gegend. Alle paar Meter vernebeln Rauchschwaden den Blick. Das Museum inmitten des gepflegtes Grün der Government Gardens, dessen türmchengekrönte Fachwerkfassade an ein luxuriöses Sanatorium in „good old Europe” erinnert, musste wegen Mauerrissen geschlossen werden. So mächtig rumort es im Untergrund.
Allein der Hotspot von Te Puia zählt 500 Erdspalten, aus denen Thermalquellen sprudeln, Geysire spucken und Schlammtöpfe vor sich hin köcheln.
Geothermie für Pools und Heizung
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zapften Privatleute die geothermale Ressource für Heizzwecke und private Pools an – was Pohutu und seine Kollegen mit monatelanger Inaktivität quittierte.
Weil die Stadt aber fast ausschließlich vom Tourismus lebt und die Lebenszeichen von Mutter Erde ihre größte Attraktion sind, drehten die Stadtväter den Einheimischen kurzerhand den Dampfhahn ab. Die vielen Bohrlöcher wurden mit Beton verfüllt: Seitdem prustet Pohutu wieder aus voller Kraft.
Billig ist der Blick auf die Wasserfontäne nicht, denn der indigene Stamm Tūhourangi Ngāti Wāhiao betreibt hier sein Kulturzentrum mit Schnitz- und Webschule sowie dem Nachbau eines Maoridorfes. In dem Bau können Zuschauer den Haka, den traditionellen, rituellen Tanz der Indigenen erleben.
Maori-Vorführung im Kulturzentrum von Te Puia
Königlicher Namensgeber für den kleinen Geysir
Damit auch ja keiner den großen Auftritt von Pohutu verpasst, wird sein Kommen vom kleineren Geysir Prince of Wales Feathers angekündigt: Der bricht nämlich immer kurze Zeit vorher aus und bringt es auf bis zu acht Meter.
Der Name Prince of Wales Feathers ist übrigens tatsächlich eine Hommage an das englische Königshaus: Als ein Ahnherr von König Charles um 1900 durch die Kronkolonie am Ende der Welt reiste, stach den Einheimischen das Wappen mit den drei Federn ins Auge. Zu Ehren des Königshauses bekam den kleinere der Geysire den ungewöhnlichen Namen verpasst.
Das Geheimnis des Lady Knox-Geysirs
Nicht weniger berühmt ist der Lady Knox-Geysir, der inmitten des surreal anmutenden Thermalfeldes von Wai-O-Tapu liegt. Es blubbert, schmatzt und qualmt allerorten. Ein penetranter Geruch von faulen Eiern liegt in der Luft. Heiße Schlammlöcher brodeln vor sich hin.
Neongrüne, türkisblaue und gelbe Seen reihen sich aneinander. Und plötzlich liegt er vor dem Betrachter: der Champagne Pool, ein quitschbunter Traum aus grünem See mit orangefarbenem Ufer. Die Kamera klickt, einmal, zweimal, dreimal und hält dieses unglaubliche Naturschauspiel für immer fest.
Lady Knox ist sicherlich der Star inmitten all der Vulkankrater, der kochend-heißen Quellen und höllisch heißen Blubbertöpfe. Madame ist auch noch superpünktlich, was man von ihren menschlichen Geschlechtsgenossinnen meistens nicht behaupten kann.
Pünktlich um 10.15 Uhr präsentiert die feurige Dame ihr Temperament und spuckt – sehr zur Freude der reichlich versammelten Touristen – eine Fontäne heißen Wassers in die Luft.
Was viele nicht wissen: Ein bisschen menschliche Unterstützung braucht die chloridhaltige Springquelle allerdings – von alleine wird sie nämlich nicht aktiv.
Seife bringt den Lady Knox-Geysir zum Spucken
Es waren Insassen eines benachbarten Strafgefangenenlagers, die den seltsamen Zusammenhang zwischen Seife und Fontäne entdeckten. Jedes Mal, wenn sie ihre Kleidung in der heißen Quelle wuschen, fegte eine Wasserfahne in alle Richtungen.
Pünktlich am morgen taucht deshalb ein Ranger bei der heißblütigen Schönen auf, leert ein Päckchen Seifenpulver in ihren tiefen Schlund und der Geysir sprudelt steil in die Höhe. Bis zu zwanzig Meter sind dokumentiert. Nichts da, mit der inneren Uhr des Seifenpulver-Geysirs.
Heilige Erde für die Maoris
Den Maori waren Orte wie der Thermalpark Orakei Korako auf halbem Weg zwischen Taupo und Rotorua heilig. In den mineralhaltigen Pools badeten einst die Stammesältesten. Die bunten Ablagerungen wurden für die Bemalung der Gesichter verwendet.
Der “Diamant-Geysir” spritzt sein kochend-heißes Wasser bis zu acht Meter in die Luft, manchmal im Minutenrhythmus, manchmal im Abstand von mehreren Stunden. Ein paar Meter weiter tauchen die Besucher in der Ruatapu-Höhle ab, deren Eingang unter einem grünen Teppich aus Baumfarnen verschwunden ist.
Fast senkrecht ragen die Felswände dieser Märchenwelt empor, an deren Grund eine glasklare Quelle sprudelt. Schwimmen ist zwar verboten, doch dafür erfüllt der kleine Tümpel andere Zwecke. Der Legende nach gehen Wünsche in Erfüllung, wenn der Bittende seine linke Hand in das Wässerchen hält.
Der Säuregehalt des Wassers und die mineralische Zusammensetzung haben aber auch eine ganz praktische Seite: Beides reinigt Schmuck und lässt das Kleinod nach wenigen Minuten in neuem Glanz erstrahlen.
White Island: Neuseelands aktivster Vulkan
Bis vor einigen Jahren ließ sich der Nervenkitzel noch steigern, durch einen Besuch bei Neuseelands aktivstem Vulkan, der vor 150 000 Jahren aus der Erdkruste aufstieg.
Der rund 300 Meter hohe Feuerberg namens White Island in der Bay of Plenty muss auf Besucher wie ein fremder Planet in den Weiten des Weltraums gewirkt haben: brodelnde Schlammtümpel, gelbe Schwefelablagerungen und ein tiefer Krater mit giftgrünem Wasser. Wie immer liegen Schönheit und Schrecken dicht beieinander. Seevögel haben mit ihrem Dung die Grundlage für ein zartes Grün geschaffen.
Vor allem bei Kreuzfahrttouristen war die düstere Insel mit ihren fauchenden Fumarolen, den köchelnden Schlammgruben und den heißen Lavaströmen ein beliebtes Ausflugsziel.
Ausgestattet mit Schutzhelm und Atemschutzmaske stapften sie über knirschenden Bimsstein, ungeachtet des Umstands, dass täglich Hunderte von Erdbeben registriert wurden. Die meisten waren allerdings so schwach, dass nur Seismographen sie aufzeichneten. Der letzte richtige Ausbruch lag ja schon Jahre zurück.
Abruptes Ende des Tanzes auf dem Vulkan
Doch dann kam der Tag im Dezember 2019, der dem Tanz auf dem Vulkan ein Ende setzte. Urplötzlich brach der 1769 von dem britischen Seefahrer James Cook entdeckte Vulkan aus.
47 Touristen befanden sich zu diesem Zeitpunkt auf der Insel. 22 Menschen, vornehmlich aus Australien, bezahlten ihre Abenteuerlust mit dem Leben; 25 weitere wurden teils schwer verletzt. Das Ausflugsunternehmen musste wegen Missachtung gesetzlicher Sicherheitsvorschriften eine Millionenstrafe zahlen.
Wer den Vulkan heute aus nächster Nähe sehen will, der muss sich in den Passagierraum eines Kleinflugzeugs quetschen. Für 150 Euro gibt es den Blick in die Gedärme von Mutter Erde – oder ist es nicht eher der Vorhof der Hölle ?
Falls du mal länger in Rotorua bleiben möchtest? Mein Tipp: das Prince`s Gate Boutique Hotel, direkt bei den Government Gardens.
Bei der Recherche wurde ich von Nicko Cruises unterstützt. Meine journalistische Unabhängigkeit bewahre ich mir trotzdem, denn ich bekomme kein Honorar. Wenn meine Zeilen begeistert klingen, dann weil mir Schiff und Tour gefallen haben. Dies ist meine persönliche Einschätzung.
Wenn du wissen möchtest, wie es auf unserer Seereise von Sydney nach Auckland weitergeht, schau einfach hier vorbei. Und hier gibt es noch mehr Impressionen von der 20-tägigen Seereise mit der Vasco da Gama.