Bad Homburg war kein gutes Pflaster für Fjodor Dostojewski. „Hier könnte man leben – wenn nur nicht das verdammte Roulette wäre“, schrieb der Dichter im Mai 1867 an seine junge Gemahlin. 1865 war der russische Schriftseller erstmals in die „Roulettenburg“ gekommen, wie er Bad Homburg wenig schmeichelhaft nannte. Die Hoffnung auf eine große Glückssträhne erfüllte sich im Hessischen nicht.
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Homburg: ein Städtchen schreibt Literaturgeschichte
Dostojewski, der regelmäßig zum Zocken nach Bad Homburg kam, aber auch die Casinos in Baden-Baden und Wiesbaden heimsuchte, verspielte seine gesamte Reisekasse, rund 3000 Gulden. Ein Gutes hatten die mehrfachen Besuche in Bad Homburg immerhin, wo der Spielsüchtige bei Tag und Nacht durch den Kurpark irrlichterte: Er holte sich Anregungen für seinen Roman „Der Spieler“.
Berühmte Spieler: von Dostojewski bis Gräfin Kisseleff
Als Vorbild für die reiche Erbtante, die im Roman ihr Vermögen verspielt, diente ihm die Gräfin Kisseleff. Nach ihr ist heute die Straße benannt, die den Bad Homburger Kurpark von Süden nach Norden durchschneidet. Und Dostojewski, der jeden Rubel verschwendete, der in seine Hände fiel, ehrten die Bad Homburger mit einer Skulptur im Kurgarten, geschaffen vom russischen Bildhauer Nicolai Karlychanow.
Bis zu 1000 Spieler täglich strömten damals in die 1841 eröffnete Spielbank; der Roulette-Saal öffnete bereits um elf Uhr. Herren in Gehröcken versuchten ihr Glück, Damen in ausladenden Krinolinen. Homburg, das 1834 zum Heilbad erhoben worden war, war eine Drehscheibe des Adels und jener, die zu den besseren Kreisen gehören wollten.
Ein paar Impressionen aus Bad Homburg
Das traf auch auf Sophie Kisseleff zu, Tochter eines polnischen Magnaten und Ehefrau eines russischen Generals. Madame war berühmt für ihre Schönheit und berüchtigt für ihre Spielleidenschaft. Bis zu zwölf Stunden soll sie zwischen 1840 und 1872 täglich im Casino verbracht haben. Immerhin ist sie geschäftstüchtig genug, um ihre immensen Spielverluste durch hohe Dividenden der ihr gehörenden Spielbankaktien auszugleichen. Dostojewski muss stattdessen mit dem Geld eines verpfändeten Kleides seiner Ehefrau Anna jonglieren.
Die Spielbank: Homburgs Aufstieg beginnt
Nachdem im frühen 19. Jahrhundert die erste Heilquelle Bad Homburgs, der Elisabethenbrunnen, entdeckt worden war, musste eine Spielbank her, um Erb- und Geldadel in den Taunus unweit von Frankfurt zu locken.
Es sind François Blanc und sein Zwillingsbruder Louis, die den Grundstein für das Casino legen. Landgraf Philipp verspricht den beiden jungen Männer die Konzession für den Spielbankbetrieb über 30 Jahre. Dafür lässt er sich eine steigende Pacht zusichern, die am Ende 10 000 Gulden pro Jahr betragen wird. Außerdem müssen die Gebrüder Blanc ein nagelneues Kurhaus bezahlen.
Garaus für das unmoralische Treiben
Das Geschäft auf Gegenseitigkeit lohn sich: Aus der ehemals unbedeutenden Residenz wird ein international bekannter Kurort. Die Gebrüder Blanc verdienen so gut, dass sie Bad Homburg eine für die damalige Zeit revolutionäre Straßenbeleuchtung spendieren können und sogar eine Eisenbahnverbindung ins nahegelegene Frankfurt.
1863 wird François Blanc nach Monaco abschwirren, weshalb sich die Spielbank von Bad Homburg als „Mutter von Monte Carlo“ bezeichnet.
Die Geschichte des Casinos gleicht einem ständigen Auf und Ab. Mal ist es die Frankfurter Nationalversammlung, die dem „unmoralischen Treiben“ ein Ende setzt und die Spieler in einen „Cercle des étrangers“ zwingt; mal sind es die Preußen, die die Schließung sämtlicher Spielbanken im deutschen Reich durchsetzen. Erst im April 1949 wurde die Spielbank wiedereröffnet, die zu den Top Five in Deutschland gehört.
Homburgs grüne Lunge: der Kurpark
Homburgs Tradition als Kurort ist lang. Fast ebenso alt ist der Slogan von der vielgepriesenen „Champagnerluft“, womit die Fallwinde aus dem Taunus gemeint sind, die angenehme Kühlung bringen.
Die Stadt besitzt einen der größten und schönsten Kurparks Deutschlands. Kein geringerer als der schon zu Lebzeiten zur Legende gewordene Königlich-Preußische Gartenbaudirektor Peter Joseph Lenné wurde mit der Planung des Englischen Landschaftsparks beauftragt, der heute unter Denkmalschutz steht.
136 Strauch- und 82 Baumarten aus aller Welt, die zum großen Teil noch aus den Anfangsjahren stammen, prägen Bad Homburgs grüne Lunge, wo es sich zwischen historischen Bauten und Denkmälern herrlich lustwandeln lässt.
Vom Fürstenbad zum Spa-Tempel
Das auffallendste ist sicherlich das Kaiser-Wilhelm Bad. Als 1890 das Neue Badehaus eröffnet wurde, überschlug sich die Presse mit Lobeshymnen über den mit allem Komfort der Neuzeit ausgestatteten Badetempel, der den Eindruck einer orientalischen Zauberwelt vermittle.
Unter der riesigen Kuppel des „Fürstenbades“ ließen sich berühmte Gäste wie der Prinz von Wales, Bismarck und der thailändische König in hohen Räumen mit kostbaren Fliesen und Mosaiken behandeln. Die Damen schwärmten in den linken Trakt, die Herren in den rechten und Majestät, der als 3,50 Meter großes Bronzedenkmal vor dem Eingang steht, hatte ein eigenes Badeareal.
Heute firmiert das im Stil der italienischen Hochrenaissance erbaute Bad als „Kur Royal“. Hier kann man im Sole- Entspannungs-Bassin plantschen, im Heudampfbad schwitzen oder aus dem großen Angebot von Massagen auswählen.
Informationen: Die Preise im Kur-Royal: Zwei Stunden Verwöhnzeit kosten montags bis freitags 25 Euro, samstags, sonntags und an Feiertagen 28 Euro. Vier Stunden schlagen mit 40 bzw. 44 Euro zu Buche. Die Tageskarte inklusive Bistroverpflegung kostet 69 Euro.
Siamesische Tempel in Bad Homburg
Der schon erwähnte thailändische König Chulalongkorn, der unter dem Namen Rama V. die Herrschaft in Siam angetreten hatte, kam im August 1907 samt Gefolge in den Taunus. Majestät litt an einer Herz- und Nierenschädigung sowie einer chronischen Entzündung der Nasenschleimhaut- was den Monarchen allerdings nicht von seiner großen Leidenschaft abhielt: dem Rauchen.
Trinkkuren, Mineralbäder, Tonschlammpackungen und Massagen, aber auch Festlichkeiten wie die Einweihung der „König-Chulalongkorn-Quelle“ brachten den Herrscher so auf Vordermann, dass er sich von seiner großzügigen Seite zeigte. Noch vor seinem Tod leitete er alles in die Wege, um sein der Kurstadt gegebenes Versprechen zu erfüllen: einen in gold und rot leuchtenden siamesischen Tempel. Das „schlechte Essen und das kalte, raue Wetter“ hatte der Monarch da schon vergessen.
Der Pavillon, Thai-Sala genannt, wurde 1910 in Thailand gefertigt, in Einzelteile zerlegt und in viele Kisten verpackt. Allerdings kamen einige Teile beschädigt in Bad Homburg an: Zwei Drittel der glasierten Dachziegel waren zerbrochen, so dass sich der Aufbau bis in den Mai 1914 verzögerte.
2007 kam ein weiterer Pavillon im thailändischen Stil dazu: König Bhumibol und Königin Sirikit schenkten Bad Homburg die zweite Thai-Sala. Sie steht in unmittelbarer Nähe der Chulalongkorn-Quelle.
Traumlocation Orangerie
Zu den auffallendsten Gebäuden des Kurparks zählt ohne Zweifel die Orangerie. Ursprünglich wurde der luftig-leichte Bau als Winterschutz für die 40 Orangenbäume errichtet, die Kurfürst Wilhelm von Hessen als Pfand für seine Schulden in der Spielbank gegeben hatte. Doch schon bald wurde das „Gewächshaus“ umfunktioniert – zur Wandelhalle für den Hoch- und Geldadel.
Heute muss man glücklicherweise keinen großen Geldbeutel mehr haben, um in dem liebevoll sanierten schneeweißen Bau mit dem Wasserbecken davor Kaffee und Kuchen zu genießen. Vorausgesetzt die Traumlocation hat offen und wird nicht gerade für eine Hochzeitsfeier genutzt.
Deutschlands ältester Golfplatz
Mitten im Kurpark liegt übrigens Deutschlands ältester Golfplatz. Schon um 1880 pflegten die Kurgäste aus England auf den Wiesen das Spiel mit den handgenähten Rindslederbällen, die mit Gänsefedern gefüllt waren. Unter den Augen des Prince of Wales, der gleich 32 Mal zur Kur in Bad Homburg weilte, bauten englische Militärs 1889 den ersten Golfplatz mit pittoreskem Clubhaus auf deutschem Boden. Zwei Jahre später gab es das erste Turnier.
Rund um das Homburger Landgrafenschloss
Lange bevor Homburg zum Heilbad aufstieg, machte ein anderer berühmter Gast im Taunus Station. Johann Wolfgang von Goethe kam gleich mehrere Male in die Hessische Residenzstadt und erwähnte sie gar in „Dichtung und Wahrheit“. Dem gefeierten Klassiker der Deutschen Literatur gefiel es ausnehmend gut, zusammen mit Herzog Karl August auf Schlittschuhen über den zugefrorenen Teich im Schlosspark zu gleiten oder durch den herrschaftlichen Garten zu lustwandeln.
Auch in amourösen Dingen war der alte Schwerenöter in Homburg unterwegs. Das Gedicht, „Pilgers Morgenlied“ ist eindeutig eine Liebeserklärung an eine gewisse „Lila“, bei der es sich um Louise Friederike von Ziegler, eine Hofdame am Landgrafenhof handelte. Der Dichter fand Gefallen an dem schönen Fräulein; eine Zuneigung, die nicht unerwidert blieb, aber unglücklich endete, denn Louise heiratete später einen preußisch n Offizier, während Goethes Herz in Weimar für Charlotte Buff entflammte.
Der Weiße Turm: Überbleibsel der mittelalterlichen Burg
An das kurze Techtelmechtel wird im „Weißen Turm“ erinnert, dem letzten Überbleibsel der alten Höhenburg von Homburg, die bis Ende des 15. Jahrhunderts Sitz der Grafen von Eppstein war. Die Erbauer planten den zwischen 1368 und 1373 erbauten Turm als Bergfried; lange wurde er als Wachturm genutzt und ist heute Landmarke sowie Wahrzeichen Bad Homburg.
Wer den über 40 Meter hohen Turm erklimmt, auf der Wendeltreppe mit ihren 172 Stufen keinen Drehwurm bekommt, landet unweigerlich in der Wächterstube. Dort gibt es Schautafeln zu Goethe und der Geschichte Homburg. Der weiß gestrichene, zylindrische Turm mit den rot abgesetzten Zinnen, Friesen, Tür- und Fensterrahmen bietet eine atemberaubende Sicht über die Stadt und das Umland. Vom Schauinsland schweift der Blick über die Höhen des Taunus, über die Wetterau, die Skyline von Frankfurt bis zum Odenwald.
Informationen: Den Schlüssel zur Tür musst du im benachbarten Schlossmuseum holen. Die Besteigung für Erwachsene kostet einen Euro, ermäßigt 50 Cent. Der Aufstieg ist das ganze Jahr möglich, von März bis Oktober montags bis sonntags von 10 bis 16.30 Uhr, in der kälteren Jahreszeiten bis 15.30 Uhr.
Sommerresidenz des Kaisers
Landgraf Friedrich II. ließ die mittelalterliche Burg bis auf die Grundmauern abreißen. Dem legendären Prinz von Homburg mit dem silbernen Bein, von Heinrich von Kleist literarisch verewigt, war das alte Gemäuer viel zu popelig, schließlich war er ein Kind des Absolutismus und wollte dies auch mit einem prächtigen Schloss nach außen präsentieren. Die Residenz des Landgrafen mit den um zwei Höfe gruppierten Flügeln war das erste frühbarocke Schloss nach dem Dreißigjährigen Krieg.
Bis 1866 lebten hier die Landgrafen, danach ging der Besitz an Preußen. Die Deutschen Kaiser, besonders Wilhelm II. und seine Familie, kamen regelmäßig nach Bad Homburg. Sie nutzten das weitläufige Schloss mit seinem riesigen Park als Sommerresidenz.
Wer heute durch die mit Millionenaufwand sanierten Räume wandert, den beschleicht die Vorstellung, der Kaiser und seine Gemahlin seien gerade erst ausgezogen. Jahrelang war der Königsflügel mit dem einstigen Empfangssaal geschlossen, doch in zehnjähriger Arbeit restaurierte die Schlösserverwaltung Hunderte von Objekten, die vom kaiserlichen Leben in Bad Homburg erzählen. So gibt es seltsam anmutende Gabeln im Speisesaal – speziell angefertigt für den Kaiser, der einen verkrüppelten Arm hatte. Eine Waage für die Kaiserin, mit der sie ihr Gewicht kontrollierte; die kaiserlichen Betten, in denen das Herrscherpaar getrennt schlief.
Im englischen Flügel werden die Räume gezeigt, in denen Landgräfin Elisabeth, eine englische Königstochter, nach dem Tod ihres Gatten Friedrich VI Joseph 1829 lebte. Dieser Verbindung verdankt die hessische Kleinstadt eine botanische Rarität: die beiden Zedern neben dem Portal des Königsflügels. Der Duke of Cambridge hatte sie anläßlich der Hochzeit seiner Schwester pflanzen lassen. Mittlerweile ist die eine zu einem 20 Meter hohen Exemplar herangewachsen, unter deren ausladendem Schirm es sich auch an heißen Tagen gut aushalten lässt.
Lange galt eine Libanon-Zeder in Weinheim als älteste ihrer Art in Deutschland, doch wissenschaftliche Recherchen haben ergeben, dass das Exemplar keine 300 Jahre alt sein kann. Jetzt darf sich der immergrüne Baum in Bad Homburg als Rekordhalter fühlen.
Informationen: Das Landgrafenschloss hat von März bis Oktober montags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Von November bis Februar dienstags bis sonntags von 10 bis 16 Uhr. Wer die kaiserlichen Räume oder den Englischen Flügel besuchen möchte, zahlt acht Euro. Kinder sechs bis 16 Jahre fünf Euro. Das Kombiticket kostet zwölf bzw. sechs Euro.
Die Dorotheenstraße
Beim Schloss beginnt eine der schönsten Straßen von Bad Homburg: die Dorotheenstraße. Wie aus einem Guss sind die denkmalgeschützten Häuser an der Hauptachse der barocken Neustadt – zweigeschossig mit Mansardendach. Hier lebten einst die Hofbeamten, zu denen auch für einige Jahre der Dichter Friedrich Hölderlin zählte.
Auf Vermittlung eines Freundes war er zum Hofbibliothekar aufgestiegen, doch wirklich glücklich war der Dichter in Homburg nicht. Sein Geisteszustand war erkennbar zerrüttet, sein Freund Isaac von Sinclair geriet in Ungnade. Am 11.September 1806 wurde Hölderlin mit Gewalt in eine Kutsche verfrachtet und in eine Klinik nach Tübingen gebracht. In der Neckarstadt lebte er bis zu seinem Tod.
Die Erlöserkirche: Bad Homburgs Hagia Sophia
In der Dorotheenstraße liegt auch die Erlöserkirche, die im Volksmund „Bad Homburger Hagia Sophia“ genannt wird. Der Vergleich kommt nicht von ungefähr, denn das Innere des Gotteshauses ist im neubyzantinischen Stil gehalten: die Wände mit Marmor verkleidet, die Decke mit Abertausenden Mosaiksteinen überzogen.
Das Kaiserpaar Wilhelm II. und Auguste Viktoria griffen tief in die Schatulle und waren bei der Einweihung 1908 persönlich anwesend; zur Kaiserloge führte ein eigener Zugang. Heute bestimmen die mächtigen, quadratischen Türme der Erlöserkirche die Silhouette Bad Homburgs, gemeinsam mit den Türmen der katholischen St. Marien-Kirche und dem Weißen Turm.