Hamburg, Berlin oder Dresden kennt doch jeder, weil sie als Ziel von Städtereisen ganz oben in der Hitliste stehen. Dabei hat Deutschland viel mehr zu bieten als große Metropolen mit weltstädtischem Flair. Zwischen Flensburger Förde und Bodensee gibt es unzählige kleine Perle, die einen Abstecher lohnen, städtische Kleinode, die so viel Flair besitzen, dass sich der Reisende nur schwerlich von ihnen trennen kann.
Romantische Plätzen, verwinkelte Altstädte und malerische Ausblicke finden sich selbst in Kleinstädten. Zwischen Fachwerkhäusern und verwinkelten Gassen lässt es sich herrlich über Kopfsteinpflaster flanieren und dabei die Zeit vergessen. Ob spontaner Ausflug oder sorgfältig geplanter Kurztrip – überall in Deutschland finden sich solche Städteperlen, die eine echte Alternative zu überlaufenen Metropolen sind. Ein Tipp für jedes Flächenbundesland, jenseits der beliebten Drei.
Inhaltsverzeichnis
Städteperle Nr.1: Coburg in Bayern
Adel verpflichtet: Diese beiden Worte sind den 41.000 Bewohnern der fränkischen Kleinstadt in Fleisch und Blut übergegangen. Kaum eine Dynastie betrieb so erfolgreich Heiratspolitik wie das Geschlecht der Ernestiner. Die waren zwar völlig bedeutungslos, machten daraus aber das Beste. Deshalb ist das Haus Sachsen-Coburg und Gotha so ziemlich mit jedem europäischen Königshaus verwandt.
Die Kleinstadt im Herzen Deutschlands hat davon augenscheinlich profitiert. Davon zeugt nicht nur das prachtvoll ausgestattete Schloss Ehrenburg mit seiner neugotischen Fassade. Wer sich von dem grün-gelben Bimmelbähnchen durch die Stadt kutschieren lässt, hinauf zur Veste, die fünf Monate lang Zufluchtsort des Reformators Martin Luther war, erblickt liebevoll restaurierte Häuser, steinerne Brunnen und lauschige Plätze.
Nicht wundern sollte man sich über jenes Bürschchen auf Dutzenden von Gully-Deckeln, das eine ziemliche Ähnlichkeit mit dem Sarotti-Mohr hat. Es handelt sich um den Stadtheiligen Moritz, den der Künstler mit krausem Haar, vollen Lippen und großem Ohrschmuck dargestellt hat.
Von Coburg auf den britischen Thron
Wer nach Marktplatz, Feste und Schloss noch Zeit hat, sollte nach Rödental fahren. Im dortigen Schloss Rosenau wurde Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha geboren, jener schmucke Prinz, der die große Liebe von Queen Victoria war. Das Schloss, in dem noch heute seine Wiege steht, liegt inmitten eines englischen Landschaftsparks.
Alberts Vater, Herzog Ernst I., ließ das Anwesen zu Beginn des 19. Jahrhunderts im neugotischen Stil umbauen und nutzte es als Sommerresidenz. Auch nach Alberts Tod (1862) kehrte die britische Queen in die Rosenau zurück. Das Schloss kann besichtigt werden, die Räume sind mit originalen Wiener Biedermeiermöbeln bestückt. Bemerkenswert ist der elegante Marmorsaal, in dem auch Konzerte stattfinden.
Städteperle Nr. 2: Tübingen in Baden-Württemberg
Sie ist sicherlich eine der schönsten Städte am Neckar, die Universitätsstadt Tübingen, die einerseits alt, andererseits unverschämt jung ist – dank der vielen Studenten. Rund 90.000 Einwohner leben in der Stadt der steilen Treppen, der engen Gassen und der spitzen Giebelhäuser.
Es ist alles da, was eine Stadt liebens- und lebenswert macht: ein mittelalterlicher Stadtkern voller Betriebsamkeit und einem fast schon mediterran anmutenden Lebensgefühl; ein romantischer Fluss, an dem es sich an lauen Sommerabenden wunderbar verweilen lässt; ein Schloss, das fotogen auf dem Hügel thront, und stille Ecken wie die Neckarinsel, wo der Ruhesuchende dem Müßiggang frönen kann.
Den meisten Zeitgenossen fällt zu Tübingen die berühmte Neckarfront mit dem Hölderlinturm und den pastellfarbenen Häusern ein. Die anderen schwärmen vom Marktplatz mit dem schmucken Rathaus und dem Neptunbrunnen.
Den schönsten Blick auf Hölderlinturm, Burse und das Schloss Hohentübingen hat man übrigens vom Wasser aus, bei einer feucht-fröhlichen Stocherkahnfahrt auf dem Neckar. Frühen dienten die flachen Holzkähne als schwimmende Arbeitsplattform für Fischer und Fährleute. Dann entdeckten Studentenverbindungen die Stocherkähne für sich. Seit den 1980er Jahren kann sich Jedermann von kräftigen Burschen über den Neckar stochern lassen.
Eiszeitkunst auf dem Tübinger Schlossberg
Wer tief in die Geschichte eintauchen will, besucht das Museum für Alte Kulturen der Universität Tübingen, das eher wie eine mittelalterliche Burg aussieht und als Wohnstatt für die herzogliche Familie schon lange ausgedient hat.
Weil die Universität Tübingen die größte Anzahl an wissenschaftlichen Sammlungen an einer deutschen Universität besitzt – von der Astrophysik bis zur Zahnmedizin-, wurde im Schloss das Museum für alte Kulturen eingerichtet. Dessen größter Star ist ziemlich klein, aber uralt. ein geschnitztes Wildpferd aus dem Elfenbein eines Mammuts, gut 40.000 Jahre alt.
Gefunden wurde die „Eiszeitkunst“ in Höhlen auf der Schwäbischen Alb; seit 2017 zählt die sehr naturgetreue Figur zum Weltkulturerbe. Auf Schloss Hohentübingen sind die meisten Originalfundstücke aus den Eiszeithöhlen zu sehen, darunter das reizende „Vogelherdpferdchen” und das neu entdeckte Fragment einer Flöte aus Gänsegeierknochen.
Städteperle Nr. 3: Cochem im Rheinland-Pfalz
Die Mosel ist reich an landwirtschaftlichen Reizen und kulturellen Sehenswürdigkeiten. Cochem, mit 5000 Einwohnern die kleinste Kreisstadt Deutschlands, verbindet beides vortrefflich. Wer um die „Brauselay“ biegt, die Mosel-Variante der „Loreley“, dem bleibt erstmal die Luft weg – angesichts der majestätischen Reichsburg, die mit ihren Erkern und Zinnen der Inbegriff von Burgenromantik ist.
Die größte Höhenburg an der Mosel, einst Eigentum der Kurfürsten von Trier und während des pfälzischen Erbfolgekrieges schwer beschädigt, ist ein Kind des 19. Jahrhunderts. Es war der Berliner Kommerzienrat, Louis Ravené, der die Burg im neugotischen Stil wiederaufbauen ließ. Eindrucksvoll sind die Innenräume, wie Rittersaal, Speisesaal, Jagdzimmer sowie Kemenate.
Mit der Sesselbahn zum Pinnerkreuz
Das Städtchen zu Füßen der Burg ist nicht weniger romantisch, wenn auch in den Sommermonaten ganz schön überlaufen. Besucher flanieren durch die pittoreske Altstadt, bewundern den historischen Marktplatz mit seinen schiefergedeckten Fachwerkhäusern, dem Martinsbrunnen und dem aus dem Jahr 1739 stammenden Rathaus und decken sich an einem der zahlreichen Verkaufsstände mit Moselwein ein.
Einen der spektakulärsten Ausblicke auf Cochem, die Reichsburg und die Mosel hat man von Aussichtspunkt Pinnerkreuz auf der anderen Seite der Mosel. Die Fahrt mit der Sesselbahn zu dem 150 Meter hoch gelegenen Fotospot mit dem Gipfelkreuz dauert nur wenige Minuten. Der Name geht übrigens auf einen Schafhirten zurück, der eines seiner verirrten Tiere vor dem Absturz bewahren wollte und dabei selbst ums Leben kam. Ihm zu Gedenken wurde das Kreuz errichtet.
Städteperle Nr. 4: Saarlouis im Saarland
Eine solch moderne, symmetrische Superstadt mit Kasernen für 4 000 Soldaten, Brunnen zur Trinkwasser-Versorgung der Bevölkerung und noblen Wohnhäusern hat die Welt noch nicht
gesehen. Zu ihrer Einweihung reist Festungsbaumeister Vauban höchstpersönlich in
den Osten Frankreichs, bestaunt Wäle, Wassergräben und Bastionen in Form eines Sterns und schenkt der Stadt ein Wappen mit Lilien, Wolken und Sonne. Saarlouis sei einer der schönsten und angenehmsten Orte im Königreich, so sei Fazit.
Mal gehörte Saarlouis, die 35.000 Einwohnerstadt zu Frankreich, später zu Preußen. Heute verknöpft die saarländische Stadt, ein Geschöpf des Krieges, das Beste aus zwei Welten.
Ihr militärisches Erbe nutzt die ehemalige Grenzstadt heute zivil; die Lust am Savoir-vivre ist geblieben. Auf dem kleinen Markt, dem ehemaligen Paradeplatz, führen die Marktfrauen das Kommando, In den kopfsteingepflasterten Gassen reiht sich ein Café, ein Restaurant ans nächste. Gleich um die Ecke gibt der reichlich überdimensionierte Große Markt alljährlich die Kulisse für die Emmes ab, das größte Volksfest des Saarlandes.
Feiern auf der Vauban-Insel
Auf der Vauban-Insel, mitten im Stadtpark und umflossen von einen Saaraltarm, darf es bei Festen auch mal lauter zugehen. Die bombensicheren Kasematten sind heute eine Schlemmergalerie. Das brachte dem begrünten Wall den Titel „längste Theke des Saarlandes“ ein. Wer will, ist in Nullkommanichts wo anders: Nach Luxemburg sind es nur 70 Kilometer, nach Metz keine 50.
Auch das Saarland selbst, Jahrhunderte lang Zankapfel feindlicher Brüder, hat einiges zu bieten, auch wenn Deutschlands kleinstem Flächen-Bundesland das Vorurteil anhaftet, der Wurmfortsatz von Rheinland-Pfalz zu sein, übersät mit Abraumhalden und rostenden Fördertürmen. Dabei ist der Landstrich an Saar und Mosel eine echte Sommerfrische aus sanft geschwungenen Hügeln und lauschigen Talauen, herrlichen Obstbaumhainen, Weingärten und üppigen Kornkämmerchen
Städteperle Nr. 5: Marburg in Hessen
Malerisch schmiegt sich Marburg in die Landschaft des hessischen Berglands. Die schmalen Gassen und Treppen führen von den Ufern der Lahn zum steilen Schlossberg hinauf, wo das Landgrafenschloss wie die deutsche Ausgabe der Zauberschule Hogwarts thront. Wohin macht blickt Giebel, Türmchen und Erker, dazu gotische Fenster und eine überdimensionale Uhr. Schon im 10. Jahrhundert soll auf dem Felssport im Zentrum dreier wichtiger Handelsstraßen eine hölzerne Burg gestanden haben. Als die hessischen Fürsten Marburg zu ihrer Residenz erkoren, bauten sie das Gemäuer prachtvoll aus.
Der Stadtkern mit seinen vielen Fachwerkbauten, den verwinkelten Gassen und den urigen Cafés zählt sicherlich zu den schönsten Altstädten Deutschlands. Dass sich die Oberstadt heute als liebevoll herausgeputztes Freiluftmuseum präsentiert, ist keine Selbstverständlichkeit. In den 1970er Jahren war die Mehrheit der alten Fachwerkhäuser so marode, dass ein Gutachten den kompletten Abriss der historischen Bausubstanz empfahl. Die Marburger jedoch entschieden sich anders.
Rund um das schöne Rathaus, dessen Renaissancegiebel ein zu jeder vollen Stunde krähender Hahn ziert, reiht sich ein Fachwerkhaus an das nächste. Manches eher schlicht, andere mit Erkern und Sinnsprüchen verziert – doch alle voller Leben. Kleine Boutiquen, Restaurants und Café sind in die alten Gemäuer eingezogen, vor allem aber Wohngemeinschaften. Denn die Unistadt ist eine Hochburg gemeinschaftlichen Wohnens.
Ein Pfad für die Brüder Grimm
Die Liste berühmter Studenten ist lang. Ferdinand Sauerbruch, Marie Luise Koschwitz, Boris Pasternak sowie die Brüder Grimm waren an der ehrwürdigen Philipps-Universität. Hier hat das Brüderpaar, das zum Jurastudium nach Marburg kam, seine ersten Märchen dokumentiert. Zum Dank dafür wurde der Grimm-dich-Pfad eingerichtet, mit Figuren aus dem Märchen.
Den schönsten Blick auf das Häusermeer und Schloss hat man von der anderen Lahnseite aus, wenn man zum Spiegellustturm marschiert. Seine Existenz verdankt der 36 Meter hohe Turm einem ehemaligen Studenten, der die einzigartige Lage des Berges mit Blickachse zum Schloss erkannte und dort einen Pavillon erbauen ließ. Der wurde schnell zum Lieblingsziel der Marburger.
Das 1,4 Tonnen schwere und acht Meter durchmessende Lichtkunstherz erstrahlt, wenn man die Nummer (06421) 590469 anruft – sozusagen Kunst by Call
Städteperle Nr. 6: Gotha in Thüringen
Sie steht im Schatten von Weimar und Erfurt, die 46.000-Seelen-Stadt Gotha. Sehr zu Unrecht, denn hier schlug nicht nur die Geburtsstunde der SPD, die Stadt legt zudem Zeugnis davon ab, dass die vielen Herrscher auf deutschem Boden zu repräsentieren wussten – auch wenn das den Landessäckel ruinierte.
So genehmigte sich Herzog Ernst I. im frühen 17. Jahrhundert den größten Schlossneubau seiner Zeit: Schloss Friedenstein. Der imposante Bau, dessen Seitenflügel stolze 140 Meter messen und in denen zahlreiche Museen zu finden sind, liegt am Ende einer Sichtachse, wo sich viel höfische Pracht offenbart. Die liebevoll gestaltete Wasserkunst mit ihren Brunnen und Wasserspielen zieht sich vom Schloss bis zum Hauptmarkt mit dem historischen Rathaus.
Der größte Schatz von Schloss Friedenstein ist das Ekhof-Theater. Es ist das einzige Theater weltweit, dessen aus dem 17. Jahrhundert stammend Bühnentechnik manuell bedient werden muss. Ob beim Kulissenschieben oder an der Wind- und Donnermaschine ist voller Körpereinsatz auf dieser barocken Zauberbühne gefragt.
Ein eigenes Zimmer für Napoleon
Einer, dem es in Gotha ausnehmend gut gefiel, war übrigens Napoleon Bonaparte. Fünf Mal weilte der französische Kaiser in der thüringischen Stadt und wurde dort von Herzog August mit allen Ehren empfangen. Der war ein glühender Verehrer des kleinen Korsen und richtete auf Friedenstein ein von ihm persönlich entworfenes Napoleon-Zimmer ein, das heute noch zu besichtigen ist.
Zu seiner wunderbaren, ziemlich kostspieligen Porzellansammlung gehörte auch ein ziemlich ungewöhnliches Tee-Service. Wie war wohl den Damen am Hofe zumute, wenn der Herzog Tassen und Untertassen mit blütenumrankten Phallusdarstellungen auf die festliche
Tafel stellen ließ?
Städteperle Nr. 7: Freiberg in Sachsen
Sie liegt in der Mitte des Freistaates Sachsen und bezeichnet sich stolz als Silberstadt. Denn Bergbaugeschichte ist in Freiberg – zwischen Dresden und Chemnitz gelegen – allgegenwärtig. Der gesamte Stadtkern, dessen Grundriss über viele Jahrhunderte unverändert blieb, steht unter Denkmalschutz. Zudem gibt es Hinterlassenschaften wie das Silberbergwerk mit seinem schon von weitem sichtbaren Fördergerüst.
Ihm verdankt Freiberg seinen Welterbetitel, als Teil der Montanregion Erzgebirge. Das „unterirdische Freiberg” erstreckt sich auf einem Gebiet von 30 Quadratkilometern unter der Silberstadt, mit einem kompletten Streckennetz von ca. 2.000 km – damit zählt es zu einem der größten Silberbergbaugebiete Europas. In seiner gesamten Bergbaugeschichte wurden ca. 8.000 Tonnen wertvolles Silber aus dem Boden des Reviers. Auf verschiedenen Routen kann man den Bergbau des 14. bis 20. Jahrhunderts erleben.
Die “Goldene Pforte” am Dom
Das Brauchtum der Bergleute ist noch immer sichtbar, hör- und erlebbar – bei traditionellen Paraden, auf dem bergmännischen Christmarkt, im Stadt- und Bergbaumuseum. Das Edelmetall hat die Stadt reich gemacht: Sichtbares Zeichen ist die „Goldene Pforte“ des Domes, das um 1230 Rundbogen-Sandsteinportal mit Skulpturen und reich verzierten Säulen.
Der Dom, das Wahrzeichen Freibergs, hat noch einen weiteren Schatz zu bieten: die weltberühmte Silbermannorgel. Sie besitzt drei Manuale, 2.574 Pfeifen und wurde vor über 300 Jahren gebaut. Ihr wunderbarer Klang ist regelmäßig bei den traditionellen Abendmusiken zu hören..
Städteperle Nr. 8: Quedlinburg in Sachsen-Anhalt
Quedlinburg ist ein Fachwerktraum im Harz und obendrein Weltkulturerbe. Über 2.000 Fachwerkbauten aus acht Jahrhunderten hält das Freiluftmuseum vor, mehr als jede andere Stadt in Deutschland.
Es ist, als wäre man in eine Zeitkapsel gestiegen und in jener Epoche gelandet, als Quedlinburg Kaiser und Könige kommen und gehen sah. Stadtbildprägend sind das efeubewachsene Renaissance-Rathaus und das Schloss, wo der Sachsen-Herzog Heinrich im frühen 10. Jahrhundert die Königswürde angetragen bekommen haben soll.
Im Krieg wurde glücklicherweise nichts zerstört und später gab es in der DDR kein Geld für den Abriss. Allerdings auch kein Geld und kein Material um die Häuser und Sehenswürdigkeiten anständig in Schuss zu halten. Und so war der Zustand der Häuser und Sehenswürdigkeiten in Quedlinburg zur Zeit der Wende erbarmungswürdig. Doch mit viel Liebe zum Detail, viel Engagement, viel Geld der Unesco und der Eigentümer selbst wurde Quedlinburg fast vollständig restauriert und glänzt heute als Perle der Fachwerk-Baukunst.
Angesichts solcher Fachwerkidylle kürten Filmemacher Quedlinburg zum „Hollywood im Harz“. Rund 60 Filme – Abenteuerstreifen, Literaturverfilmungen, Dokumentationen sowie Kinder- und Märchenproduktionen – entstanden hier. Wer das schönste Foto machen möchte, steigt zum Viertel Münzenberg hinauf. Er ist eines der schönsten Stadtteile von Quedlinburg, mit vielen kleinen Häusern.
Städteperle Nr. 9: Neuruppin in Brandenburg
Es muss nicht immer Potsdam sein. Neuruppin, die Fontanestadt am gleichnamigen See, ist ein Gesamtkunstwerk des Frühklassizismus und einer von 21 historischen Stadtkernen in Brandenburg.
Wo Theodor Fontane und Karl-Friedrich Schinkel geboren wurden, bestimmen lange und breite Straßen mit stattlichen Plätzen das Bild. Gleich hinter der Uferpromenade, wo Freizeitkapitäne anlegen und die Ausflugsboote Richtung Ruppiner Schweiz ablegen, liegt die Altstadt, die von den 63 Meter hohen Türmen der Klosterkirche St. Trinitatis überragt wird.
Stadtmauer und Wallgraben sind die grüne Lunge der Stadt, mit dem Tempelgarten als Highlight. Den exotischen Park ließ Kronprinz Friedrich anlegen, sein Freund Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff durfte sich an dem Apollontempel versuchen.
Fontane-Liebhaber zieht es in das Museum, wo Besucher an 20 Stationen passend zu Ausstellungsstücken Zitaten aus seiner „Wanderung durch die Mark Brandenburg“ lauschen können. Nach dem Dichter wurde auch die Therme benannt, mit Deutschlands größter schwimmender Seesauna.
Städteperle Nr. 10: Monschau in Nordrhein-Westfalen
Am Ufer der Rur, die mitten durch das Eifelstädtchen Monschau fließt, reiht sich ein weißes Fachwerkhaus an das andere, garniert mit dunklen Steben und Ballen; verwinkelte romantische Gassen führen durch den Ort und jeder Blick um die nächste Ecke offenbart den Besuchern ein neues Bild. Es hat etwas Märchenhaftes, durch den Ort zu bummeln und es würde wohl niemanden verwundern, Pferdegetrappel zu hören, das vom Kopfsteinpflaster durch die schmalen Straßen hallt.
Das 12.000-Seelen-Örtchen Monschau inmitten der grünen Natur der Eifel ist eine perfekte Filmkulisse, was die Macher die ARD-Serie „Eifelpraxis“ schon lange erkannt haben. Hoch über dem mittelalterlichen Städtchen ragt die Burg empor, die Ende des 12. Jahrhunderts errichtet wurde. Wer nicht hinaufspazieren möchte, kann den Bus zu dem historischen Gemäuer nutzen, wo einem die durch die Tuchindustrie zu Wohlstand gekommene Eifelperle nahe der belgischen Grenzen zu Füßen liegt.
Museum zur bürgerlichen Wohnkultur
Eines der schönsten Anwesen ist das „Rote Haus“: ein prachtvolles Patrizierhaus aus dem 18. Jahrhundert, wo heute die bürgerliche Wohnkultur im 18. und 19. Jahrhundert präsentiert wird. Mit 13 vollständig eingerichteten Wohnräumen bietet das Museum Einblicke in die bürgerliche Lebenswelt der Familie des Tuchmachers und Kaufmanns Johann Heinrich Scheibler.
Kostbare Leinwandtapeten, ein festlich gedeckter Tisch im Esszimmer, die Küche mit frisch polierten Kupfer- und Messingkesseln, Salons mit edlen Sitzgarnituren oder Schlafräume mit prunkvollen Betten – es scheint, als hätte die Familie das Haus eben erst verlassen.
Wer nach all dem Herumwandern müde geworden ist, kehrt im „Rur-Café“ ein, eine Institution seit 1770. Die vielen Kalorien kann man sich bei Wanderungen oder Radtouren in Naturpark Hohes Venn-Eifel wieder abtrainieren. Dort ist eines der letzten Hochmoore Europas zu finden, wo Birkhuhn und Wildkatzen Zuflucht finden.
Städteperle Nr. 11: Einbeck in Niedersachsen
Mit bayerischem Bier war im 15. Jahrhundert nicht viel Staat zu machen. In der kleinen Hansestadt Einbeck zwischen Harz und Weser war man da schon einen Schritt weiter. Gegen Ende des Mittelalters hatte das rührige Gemeinwesen ein paar Hundert Bürgerbrauereien, obwohl das Städtchen keine 1.000 Einwohner zählte. Das Einbecker Bier wurde im Baltikum, in Flandern und England getrunken und brachte dem Örtchen einigen Wohlstand.
Die 400 farbenprächtigen, reich verzierten Fachwerkbauten wurde in den vergangenen Jahren prächtig saniert. Der auffälligste Bau ist ohne Zweifel das Alte Rathaus mit den markanten Erkertürmchen, die an umgedrehte Trichter erinnern. Im gotischen Keller mit dem Kreuztonnengewölbe können Bierfans eine besondere Spezialität entdecken. Zwischen den Säulen aus dem 15. Jahrhundert lagern bei gleichbleibend kühlen Temperaturen 9.000 Flaschen des Aged Bock der Einbecker Brauerei. Abgefüllt wurden sie 2015.
Die schönste Straße des Fachwerk-Kleinods ist die Tiexeder Straße. Fast alle Häuser entstanden nach dem verheerenden Standbrand von 1540 und stehen unter Denkmalschutz. Geschnitzte Jahreszahlen prangen über den mächtigen runden Torbögen, die im 16. Jahrhundert typisch für Bürgerhäuser mit Braurecht waren. Rosetten, Zunftzeichen und Inschriften schmücken die Jahrhunderte alten Holzbalken.
Am Markt liegt übrigens eine der ältesten Gaststätten Niedersachsens, das „Brodhaus“. Europas größte Oldtimersammlung ist im PS.SPEICHER und den PS.Depots zu finden. Einige der mehr als 2.500 Exponate kann man sogar für eine Spritztour ausleihen.
Städteperle Nr. 12: Arnis in Schleswig- Holstein
Eine Handvoll Straßen, ein paar Dutzend schneeweiße Häuser mit bunten Fensterläden und Türen, kleine Gärten, in denen Wildrosen und Efeu blieben: Das beschauliche Arnis, das auf einer Halbinsel in der Schlei liegt, ist die kleinste Stadt Deutschlands. Nur 300 Menschen leben in den sieben Straßen, wo ein Puppenstubenhaus an das nächste grenzt.
Das Schleswig-Holsteinische Städtchen, das nur einen halben Quadratkilometer groß ist, wurde 1667 von 65 Familien gegründet und verdankt seinen Stadtstatus einem hartnäckigen Bürgermeister.
In die niedlichen Fischerhäusern aus dem 18. Jahrhundert entlang der von Kopflinden gesäumten „Langen Straße“ sind Galerien und Kunsthandwerker eingezogen; im Hafen ankern Segelboote aus dem ganzen Ostseeraum. Der wichtigste Anlaufpunkt der kleinsten Stadt Deutschlands, die dank einer Schleifähre mit Sundsacker verbunden ist, ist die aus dem 17. Jahrhundert stammende Schifferkirche, deren maritime Bezüge nicht zu übersehen sind. Im Innern baumeln mehrere Votivschiffe aus dem 18. und 19. Jahrhundert von der Decke.
Städteperle Nr. 13: Kühlungsborn in Mecklenburg-Vorpommern
Sanddorntorte löffeln, sich im Sand aalen und in der Ostsee abkühlen – Kühlungsborn verspricht Erholung pur. Einheimische nehmen lieber die alten Namen Arendsee und Brunshaupten in den Mund – die Nationalsozialisten hatten deren Heirat 1938 angeordnet –, doch das ist nicht wirklich von Bedeutung. Schon eher die vier Kilometer lange Strandpromenade, über die es sich herrlich flanieren lässt.
An der Ostseeallee gibt es reichlich Bäderarchitektur, mit Balkonen, Erkern, Türmen, Balustraden, säulengerahmten Loggien, pilastergesäumten Eingangsportalen, breiten Freitreppen und ganz viel Stuck. Keine dieser Sommervillen, die vom Geschmack ihrer einstigen Erbauer zeugen, gleicht der anderen. Und natürlich gibt es Häuser, die Jahr für Jahr auf den erlösenden Kuss aus dem Dörnröschenschlaf warten.
Es sind vor allem Familien mit Kindern sowie die reifere Jugend, die dem größten Seebad an der Ostsee in normalen Zeiten rund 2,4 Millionen Übernachtungen im Jahr bescheren. In der Hochsaison sieht man die Seepromenade vor lauter Menschen nicht mehr; dann sind alle 18.000 Gästebetten der 9.000 Einwohner zählenden Stadt belegt und die 1.700 Strandkörbe obendrein. Deren puderzuckerfeiner Untergrund muss mühselig alle paar Jahre aufgespült werden, weil Winterstürme das begehrte Gut wegspülen und an der stetig wachsenden Halbinsel Darß ablagern.
Kühlungsborns ganzer Stolz ist der Jachthafen, wo über 400 Boote anlegen können. Sie ist die quirlige Flaniermeile für Landratten und Skipper, mit einem Hauch Ibiza-Feeling und geblähten Segel als Hingucker.