Fünfsternehotels sind normalerweise nicht so mein Ding. Zu viel Protz, zu viel Prunk, zu teuer für meinen Geldbeutel. Ein ordentliches Zimmer, ein himmlisches Bett, eine gute Küche ohne verbale Absurditäten – mehr brauche ich nicht für einen gelungenen Urlaub oder ein verlängertes Wochenende. Wichtig ist die Landschaft ringsum, das Angebot für Unternehmungen – schließlich bin ich meistens draußen in freier Natur und komme nur zum Schlafen in die gastliche Herberge. Der „Lenkerhof” im schweizerischen Bergdorf Lenk im Simmental fällt zweifelsohne nicht in diese Rubrik „reine Schlafstätte“.
Ganz im Gegenteil: Das Haus, das in seinem früheren Leben mal ein Kurhaus war, verlangt geradezu nach schlechtem Wetter. Dann bräuchte ich mir keine Ausrede einfallen lassen, warum ich lieber in den gastlichen vier Wänden bleibe. Warum ich stundenlang im warmen, wohltuenden Wasser mit unverstelltem Blick auf die Berge liege. Warum das Dinner zu einer stundenlangen Genussorgie ausartet und deshalb keine Zeit für das Nachtleben bleibt.
Inhaltsverzeichnis
Lenk – ein Bergdorf wie aus dem Bilderbuch
Natürlich wäre es ein Frevel, nur im „Lenkerhof“ zu bleiben. Denn der „schönste Talschluss der Alpen“ – so der Werbeslogan von Lenk – ist einfach nur hinreißend schön. Wenn Heidi, die Heldin meiner Kindheit, um die Ecke biegen würde, mit dem Geissenpeter im Schlepptau, würde mich das nicht wundern. Vieles an dem schweizerischen Bergdorf sieht aus wie die Kulisse eines Heimatfilmes, für den Johanna Spyri die literarische Vorlage geliefert hat.
Chalets und Belle époque-Häuser
An den Straßen des 2330-Seelen-Ortes auf 1000 Meter Höhe überwiegen schmucke Chalets mit kunstvollen Schnitzereien und verschnörkelten Sinnsprüchen. Reichlich Sonnenschein haben die Holzhäuser schwarz gegerbt. Dazwischen finden sich einige Hotels aus der Belle époque-Ära, als Engländer den Reiz der Sommerfrische in schweizerischen Gefilden entdeckten. Hässliche Betonklötze, gesichtslose 50er Jahre- Architektur suchen die Augen – glücklicherweise – vergeblich. Selbst die vielen Zweitwohnsitze passen sich äußerlich in die Heidi-Welt im Simmental an. Bern liegt nur eine Stunde Zugfahrt vom südlichsten Dorf des Simmentals entfernt.
Die “Lenkerhof”: Geschichte und Gegenwart
Wer Heimatkitsch oder Alpen-Romantik sucht, ist im „Lenkerhof“ an der falschen Adresse. Keine von Zirbenduft durchzogenen holzgetäfelten Stuben; keine handgeschnitzte Madonna in der Ecke; keine Bedienung in Tracht. Der „Lenkerhof“ ist ein modernes Hotel, das unterschiedliche Generationen anspricht und sie zum gemeinsamen Erleben zusammenführt. Er ist ein helles, lichtdurchflutetes Haus, das im Wintergarten mit seinen Panoramafenstern die Schweizer Bergwelt ins Innere holt. Noch so ein Grund, etwas länger beim Frühstück sitzen zu bleib.
Alles begann mit einem Kurhaus
Das Äußere verrät: Einst war der „Lenkerhof“ ein Kurhaus, in dem Kranke Linderung von allerlei Beschwerden suchten. Schon Ende des 17. Jahrhunderts erteilte der „Schuldtheys und Rath der Stadt Bern“ einem Einheimischen aus Lenk die Erlaubnis, die Schwefelquelle für ein Heilbad zu nutzen. Zwei Jahrhunderte brummte das Geschäft mit der stärksten Schwefelquelle des gesamten Alpenraumes. Das Kurhaus mit seiner Balmenquelle war unbestritten Mittelpunkt des Badebetriebes. Doch die lange Tradition nahm in den 1990er Jahren ein abruptes Ende. Treue Kurgäste blieben aufgrund des revidierten Krankenversicherungsgesetzes aus – und für andere Nutzungen fehlte das Geld.
Ein Mann mit Visionen
Womöglich wäre das Haus mit seiner Badetradition von der Bildfläche verschwunden. Doch Jürg Opprecht, finanzkräftiger Unternehmer und begabter Maler, entdeckt seine Leidenschaft für die Herberge im Simmental mit dem faszinierenden Blick auf den Hausberg Wildstrubel. Er kaufte die heruntergekommene Liegenschaft für einen symbolischen Preis, investierte einen zweistelligen Millionenbetrag und träumte von einem Hotel der Superlative, das Maßstäbe setzt – angefangen beim aufmerksamen, nie übertriebenen Service über ein modernes Design bis zur Kulinarik auf Sterneniveau. 2002 wurde das Resort eröffnet, drei Jahre später wurde der „Lenkerhof“ zum Gault Millau-Hotel des Jahres gekürt.
Ungewöhnlicher Stilmix
Dass im „Lenkerhof“ ganz viel Herzblut steckt, wird mir schon in der Lobby klar. Antike meets Jugendstil und Moderne würde ich die eigenwillige Handschrift des Designers überschreiben. Der Stilmix aus scheinbar unvereinbaren Epochen könnte manchen Besucher verschrecken; mir nötigt er Respekt ab angesichts des Mutes des Designers.
Goldene Lampen, die an buddhistische Tempelgongs erinnern, hängen über modern interpretierten Louis-seize-Sesseln und kuscheligen Sofaecken. „Bienenkörbe“ mit Kerzen umgarnen goldfarbene Säulen. Kronleuchter sind eine Reminiszenz an die gute alte Zeit, ebenso wie der respektable Kamin aus einem französischen Schloss. Wo immer möglich, wurden alte Stilelemente bewahrt, wie die Tür mit kunstvoller Bleiverglasung zur Cigar Lounge oder das sichtbare Mauerwerk in den Fluren.
Ein Hotel voller Kunst
Das wird auch noch anderweitig genutzt: als Leinwand für moderne Kunst. Überall hängen Bilder, die auch erworben werden können. Einige hat „Lenkerhof“-Inhaber Jürg Opprecht persönlich gemalt. Die Preise sprengen zwar mein Budget bei weitem, doch das Wechselspiel zwischen Kunst und Naturstein fängt mich ein ums andere Mal ein.
Unaufdringlicher Luxus
Der „Lenkerhof“, Mitglied der Hotelvereinigung Relais & Châteaux, will vor allem eines bieten: Luxus, der nicht aufdringlich ist und sich in kleinen Dingen zeigt. Kleidervorschriften, die in anderen Häusern dieser Kategorie gang und gäbe sind, kann man getrost vergessen. Dass ich mich abends dennoch schick mache, liegt eindeutig am eleganten Ambiente im Restaurant Spettacolo. Ich wäre wahrscheinlich auch in Jeans willkommen gewesen.
Das Hotelpersonal ist stets zuvorkommend, aber nie steif und lässt sich auch mal auf ein kleines Schwätzchen ein. Bemerkenswert: die abendliche, im Preis inbegriffene Weinverkostung im urigen Weinkeller, bei der der Sommelier einige besonders feine Tropfen auftischt.
Gaumenschmaus im “Spettacolo”
Das „Spettacolo“ ist sicherlich die Krönung des Aufenthaltes. Wer so vorausschauend war, sich für das Gourmetpackage zu entscheiden und nicht nur das – zugegebenermaßen opulente – Frühstücksbüffet gebucht hat, darf sich auf höchsten Gaumengenuss freuen. Das garantieren schon die 16 Gault Millau-Punkte von Küchenchef Stefan Lünse, der im Badischen gelernt hat, sich Meriten auf Mallorca erwarb und im „Lenkerhof“ die hohe Kunst des “freestyle cooking“ zelebriert – also das stetige Ausprobieren neuer Kombinationen aus Zutaten, Kräutern und Gewürzen.
16 Gänge für den Gast
Fünf Gänge sind in einem Luxushotel ja nichts Besonderes. Doch im „Spettacolo“ umfasst die täglich wechselnde „Reise für die Sinne“ 16 Stationen. SECHZEHN! Die kulinarische Reise beginnt bereits bei der Brot-Auswahl und endet mit unglaublichen Dessertkreationen, die so dekorativ angerichtet wurden, dass sie zum Essen fast zu schade sind. Dazwischen gibt es Fisch, Fleisch, Pasta in allen Variationen und höchster Güte. Jedem steht frei, so viel zu bestellen, wie er möchte. Wer will, kann sogar alle 16 Gänge ordern. Die meisten belassen es dann doch bei sechs Gängen. Ein wenig Platz habe ich mir für das unglaubliche Käsebüffet aufgehoben: Bei 30 Sorten habe ich aufgehört zu zählen.
Die Zimmer – ein Reich zum Träumen
Irgendwann zieht es auch den größten Genießer in die Federn. Die 30 Quadratmeter großen „Nostalgie“-Zimmer sind genauso liebevoll eingerichtet wie der Rest des „Lenkerhofes“. Helle Möbel und dunkler Holzfußboden prägen den Raum. Verschnörkelte Sprüche hinter dem Bett erzählen von der Geschichte des Kurortes Lenk. Das Bad, durch ein Fenster einsehbar, ist dank der großen Badewanne eine eigene, kleine Wohlfühloase. Das Highlight ist ohne Zweifel der Blick aus dem Fenster, auf das urige Schweizer Dorf, auf das majestätische Wildstrubelmassiv, auf den gerundeten Betelberg und die anderen Berge.
Entspannen in sieben Quellen
Wer im Aufzug einen Hauch von faulen Eiern wahrnimmt, liegt richtig. Denn die heilkräftige Schwefelquelle, die früher Leiden kurierte, bildet nun den Grundstock für das 2000 Quadratmeter große Spa des „Lenkerhofs“. Im 34 Grad warmen Außenpool massieren Düsen sanft den Rücken. Mit dem 28 Grad warmen Innenpool können sich auch Schwimmer anfreunden. Steine aus dem Simmental schaffen den Bezug zur Region und eine einzigartige Atmosphäre. Die riesigen Fensterfronten vermitteln das Gefühl, auf wohligen Wellen mitten im Gebirge zu schweben.
Von Heupeeling bis Lomi Lomi
Bei der Namensfindung für das Wellness-Dorado orientierte sich der Besitzer des „Lenkerhofs“ am Fluss Simme. Hinter diesem Begriff verbirgt sich die Bedeutung „sieben Quellen“. Was lag da näher, als die Wohlfühloase – trendig in Englisch – „Seven Sources“ zu nennen und sie mit sieben Saunen auszustatten. Zwischen rustikalen Steinmauern können Skifahrer, Mountainbiker oder Wanderer in Schwefelgrotte, Finnischer Sauna, Eisgrotte, Dampfbad und noch einigen mehr entspannen. Wenn die Muskeln immer noch schmerzen, vertraut sich der Gast den Wunder bewirkenden Händen der Masseure an. Ob Stein &Bergkristall-Massage, Heupeeling oder Lomi Lomi: Der Bezug zur Natur und die Konzentration auf sich selbst wirken wohltuend für Körper und Geist.
Ich wurde vom Lenkerhof zu dem dreitägigen Aufenthalt eingeladen – vielen Dank hierfür. Ihr könnt sicher sein, dass ich mir meine journalistische Unabhängigkeit bewahre, denn bezahlt werde ich nicht. Was ich hier schreibe sind meine persönlichen Erfahrungen.
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Und noch ein Tipp: Von Lenk nach Gstaad ist es nicht weit. Und ausgerechnet diesen mondänen Ort hat sich 2coinstravel für eine Wanderung ausgesucht. Was mir daran gefallen hat: Daniel und seine Frau zeigen, dass man in der Schweiz auch preiswert kann – selbst in Gstaad.