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Petrópolis: Brasiliens kaiserliche Stadt

Der Kaiserpalast in der brasilianischen Stadt Petrópolis

Sie ist das Lieblingsziel der Cariocas, der Bewohner von Rio de Janeiero, während der Wochenenden und in der Ferienzeit: die Stadt Petrópolis. Die Stadt, einst die Residenz des brasilianischen Kaisers, liegt rund 70 Kilometer nördlich der Millionen-Metropole, in der Serra dos Órgãos, dem Orgelpfeifengebirge. Wenn du dich hier, auf 838 Metern Höhe, wie in einem deutschen Mittelgebirge fühlst, hat dies einen einfachen Grund. Möchtest du mehr über brasilianische Städte erfahren, dann klick einfach hier.

Petrópolis: Sommerfrische der Cariocas

Der Tapetenwechsel dauert nur knapp zwei Stunden. Hier die glühend-heißen Straßenschluchten von Rio de Janeiro, wo sich aufreizende Schönheiten an den goldenen Stränden der Copacabana und von Ipanema räkeln, die atemberaubenden Kurven nur notdürftig durch ein paar Stofffetzen verhüllt; dort angenehme Sommerfrische inmitten üppiger Natur, wo wilde Bananenstauden und betörend schöne Orchideen wachsen.

 

die Stadt Petropolis in Brasilien
Petrópolis liegt nur rund 70 Kilometer von Rio de Janeiro entfernt.

In Petrópolis, einer Stadt mit gut 400 000 Einwohnern, ist die Luft angenehm klar. Hier ist eher Sauerkraut und Schnaps, statt Samba und Caipirinha angesagt, deutsche Gemütlichkeit statt überschäumender brasilianischer Lebensfreude.

Die Stadt auf 838 Metern Höhe, die der hier nach einer langen Odyssee gestrandete Schriftsteller Stefan Zweig etwas despektierlich „Kurörtchen” nannte, könnte auch irgendwo in Europa liegen – sieht man einmal von den feuerrot blühenden Jacarandabäumen, der jungfräulich weißen Frangipani und all den anderen tropischen Pflanzen ab.

Die mächtige Kathedrale São Pedro de Alcântara im französisch-gotischen Stil, der Kristallpalast im Stil einer Orangerie, die eleganten Villen entlang der Avenida Koeller, wo sich Adelige, Staatsbeamte und der zu Reichtum gekommene Bierbaron Kremer feudale Heime errichten ließen – all das erinnert an die Architektur des fernen Kontinents.

die Kathedrale von Petrópolis, Brasilien
Mit dem Bau der Kathedrale wurde 1884 begonnen. Hier liegen Brasiliens Kaiser begraben.

Petrópolis: Brasiliens kaiserliche Stadt

Petrópolis ist das Kind der brasilianischen Kaiser. Schon an der Stadtgrenze werden Besucher in „Brazilians Imperial City“ willkommen geheißen. Pedro I. und sein Nachfolger Pedro II. herrschten rund 70 Jahre über das riesige Land und waren – wenn man so will – das Resultat von Napoleons Kriegszügen.

Denn während ein europäisches Land nach dem anderen vor seiner großen Armee in die Knie gegangen war, entzog sich Portugals Herrscher durch Flucht. In einer Nacht- und Nebelaktion schipperte Prinzregent Dom João samt Familie und einem 10.000-köpfigen Gefolge von Portugal nach Brasilien, unter dem Begleitschutz der britischen Marine. Er machte Rio de Janeiro, die als Drecksloch titulierte Siedlung an der Guanabara-Bucht zur Hauptstadt seines Staates – ein einmaliger Vorgang in der Historie Europas.

die Katehdrale von Petrópolis, Brasilien
Der Glockenturm der Kathedrale von Petrópolis ist schon von Weitem zu sehen.

Ein Kronprinz krönt sich zum Kaiser

Als Napoleon schließlich Geschichte war und der König samt Hofstaat nach Lissabon zurückkehrte, machte nur einer nicht mit: Kronprinz Pedro. Angetrieben von seiner durchaus machtbewussten Frau Leopoldina, einem Spross der Habsburger-Dynastie, rief er unter dem Wahlspruch „Unabhängigkeit oder Tod“ 1822 die Unabhängigkeit Brasiliens aus. An seinem 24. Geburtstag ließ er sich zum Kaiser von Volkes Gnaden krönen.

Die Gemahlin entwarf höchstpersönlich den Krönungsornat und stattete Pedros Leibgarde mit neuen Uniformen nach dem Vorbild der böhmischen Garde aus. Das verleitete Hofbeamten zu der sarkastischen Aussage, die Brasilianer seien schon halbe Österreicher. Der Dame sind indirekt auch die Farben in der Nationalflagge Brasiliens zu verdanken. Das Grün war die Farbe der Dynastie der Braganza, aus der Perdro stammte; das Goldgelb gilt als Farbe der Habsburger.

Hotel in Petrópolis, Brasilien
Perfektes Ziel für die Sommerfrische: ein Hotel in Petrópolis

Petrópolis: das grüne Paradies des Herrschers

Leopoldina erkannte schnell, wie wichtig Einwanderung für den jungen Staat war. Ihrem Bruder Ferdinand schrieb sie, in punkto Kultur sei das Land noch sehr zurück,

und wenn nicht mehr Bevölkerung kommt, wird es schwer anders werden.

Im Juni 1824 kamen die ersten deutschsprachigen Einwanderer in Rio de Janeiro an. Sie besiedelten nicht nur den Süden des Landes, wo in Orten wie Blumenau heute noch deutsche Lebensart gepflegt wird, samt Oktoberfest. Sie waren auch für den Bau von Petrópolis zuständig. Den Ort in den Bergen hatte der junge Herrscher zu seinem kleinen Paradies erkoren, weil es während des Sommers unerträglich heiß und schwül wird im quirligem Rio de Janeiro.

Stadtviertel mit deutschen Namen

Stadtviertel namens Bingen, Mosela und Quarteirão Ingelheim künden davon, woher die Handwerker kamen. Die Pläne für die auf dem Reißbrett entworfene Siedlung – nach Recife die zweite auf brasilianischem Boden – stammten von dem Mainzer Architekten Julius Friedrich Koeler. Ihm verdankt die nach dem Kaiser benannte Sommerresidenz ihre europäische Prägung. Zum Dank wurde die schönste Flaniermeile Avenida Koeler benannt.

Einige der schönen Villen von Petrópolis

Angeblich soll der junge Kaiser während einer Reise von Rio nach Minas Gerais mit seinen reichen Bodenschätzen den paradiesischen Flecken mit angenehmem Klima entdeckt haben, wo die Luft für brasilianische Verhältnisse fast „frio“, kalt, ist. Er nahm ein großzügiges Stück Land in Besitz und lockte die ersten Siedler an, um das Land urbar zu machen.

Ein Deutscher gründete hier die erste Bierbrauerei Brasiliens; ein Landsmann eröffnete die erste Fleischerei der Region. Doch erst unter seinem Sohn, dem mit 14 Jahren zum Kaiser gekrönten Pedro II ging der Ausbau der Sommerresidenz voran.

Blick auf den Kaiserpalast in Petrópolis, Brasilien

Blick auf den Kaiserpalast in Petrópolis, Brasilien
Der Kaiserpalast ist die größte Sehenswürdigkeit von Petrópolis.

Der kaiserliche Palast als Museum

Hauptattraktion der Stadt, die sich wie eine Krake in verschiedene Täler ausgebreitet hat, ist der Kaiserpalast.  Scharen von Touristen schlurfen in viel zu großen Filzpantoffeln über die kostbaren Marmorböden und betrachten die Familienfotos von Pedro und seiner Familie. Denn der langgestreckte, neoklassizistische Bau in fröhlichem Korallenrot und kontrastierendem Weiß beherbergt heute ein Museum.

Räume im Originalzustand

Der Palast präsentiert sich so, als sei der Hausherr nur mal kurz weg. In den weitgehend im Originalzustand erhalten gebliebenen Räumen führte die kaiserliche Familie weit weg vom strengen Hofprotokoll von Rio ein beschauliches Leben. Hier erleben Besucher den Herrscher als wissbegierigen Menschen, der eher Gelehrter als Politiker war und dem der Ruf eines Oberlehrers vorauseilte.

Telefon und Teleskop für den kaiserlichen Palast

Pedro, der ein Dutzend Sprachen fließend sprach, schrieb Briefe an Wissenschaftler. Er besuchte Heinrich Schliemann während der Ausgrabungen in Griechenland und huldigte der Musik von Richard Wagner bei den Festspielen in Bayreuth.

im Kaiserpalast von Petropolis, Brasilien
… auf dem Gelände des Kaiserpalastes.

Bei der Weltausstellung in Philadelphia unterhielt er sich mit dem Erfinder Alexander Graham Bell und war so begeistert von dessen Erfindung, dass er im Palast von Petrópolis den ersten Fernsprechapparat Brasiliens installierte. Das Gerät ist ebenso im Museum Imperial zu sehen wie das Teleskop, mit dem der Kaiser den nächtlichen Himmel beobachtete. Ein paar Räume weiter steht das Spinett, auf dem Tochter Leopoldina musizierte, die mit einem Herzog von Sachsen-Coburg- Gotha verheiratet war.

639 Diamanten zieren die kaiserliche Krone

Der größte Schatz des Museum aber ist die fast zwei Kilogramm schwere Krone, die Pedro II bei seiner Krönung trug. 639 Diamanten und 77 Perlen schmücken das gute Stück, das ebenso wie die goldene Krippe für den Enkelsohn nur einmal benutzt wurde.

die Katehdrale von Petrópolis, Brasilien
Blick in die Kathedrale mit der Kaisergruft

Kaiserliche Gruft in der Kathedrale

Als Brasilien 1888 die Sklaverei abschaffte, als letztes Land der westlichen Hemisphäre, war auch die Epoche des Kaisertums vorüber. Ein Jahr später wurde Pedro abgesetzt und von der republikanischen Regierung verbannt. Erst als Toter kehrte er in seine Heimat zurück. Er fand in der Kathedrale seine letzte Ruhe, die leicht erhaben am Ende der Avenida Koeler thront.

Deutsches Erbe in Petrópolis

Des Kaisers geliebtes Petrópolis blieb bis heute, was es für ihn immer war: ein ruhiges, grünes Idyll, ein erholsamer Zufluchtsort, wo man dem Trubel, der Hektik und dem Lärm der Millionenmetropole Rio entfliehen kann.

An den Wochenenden fallen die Cariocas wie Fliegen in der „Imperial City“ ein. Sie lassen sich in der Konditorei Katz bei Kaffee mit Schuss und Schwarzwälder Kirschtorte verwöhnen. Oder sie gönnen sich im Restaurant Rink an der Praça da Liberdade Eisbein mit Sauerkraut, Rinderzunge oder Frankfurter Würstchen.

Der Kristallpalast in Petropolis, Brasilien
Der Palácio de Cristal wurde 1884 von Prinzessin Isabel eröffnet. Die Bauteile kamen aus Europa.

Von hier ist es nicht weit zum Kristallpalast, einer kühnen Konstruktion aus Metall und Glas, wo die Bauern der Gegend einst ihre Ernte feilboten und Pedros Tochter Isabel rauschende Feste feierte. Diese Idee wird beim alljährlichen Bauernfest mit reichlich Bier der örtlichen Bohemia-Brauerei wieder aufgegriffen.

Fast schon Pflicht für jeden Brasilianer ist der Besuch im Sommerhaus des Flugpioniers Santos Dumont, das so auch in einem deutschen Mittelgebirge stehen könnte. Der Flieger und Sportsmann verzichtete aus Gründen des Feuerschutzes auf eine Küche: Stattdessen ließ er sich seine Mahlzeiten vom benachbarten Luxushotel liefern.

Biergarten in Petrópolis, Brasilien
Perfekter Ort für die Einkehr: der Biergarten der örtlichen Brauerei

Nächtigen im Quitandinha Palace

Zu den schönsten Gebäuden von Petrópolis zählt der Quitandinha Palace, eingebettet in einen betörend schönen Park mit einem künstlich angelegten See nebst Leuchtturm. Der gewaltige Komplex, dessen Fassade an die Architektur normannischer Seebäder erinnert, beherbergte einst das größte Kasino Südamerikas.

Der Häuserblock ist so riesig, dass es neben 440 Appartements auch eine Kegelbahn sowie ein Mega-Theater gibt. Die Roulettekugel läuft hier schon lange nicht mehr: Schon zwei Jahre nach der Eröffnung war damit Schluss. Stattdessen werden etliche Wohnungen heute als Domizile auf Zeit vermarktet.

Quitandinha Palace in Persepolis, Brasilien
Der Quitandinha Palace war einst ein Casino-Hotel. Heute werden viele Wohnungen als Herbergen auf Zeit genutzt.

Stefan Zweig: Exil in Petrópolis

Im Valparaiso, dem Paradiestal, fand 1941 ein Mann Zuflucht, der eine Odyssee aus Vertreibung und Exil hinter sich hatte: der österreichisch-jüdische Schriftsteller Stefan Zweig.

Es ist ein ganz winziges Häuschen, aber mit großer gedeckter Terrasse und wunderbarem Blick,

notierte der Autor, der den “so schön verlassenen Ort” mit Ischl im Oktober oder November verglich. Damals hatte er noch die Hoffnung, die Koffer auf ein langes Nimmerwiedersehen verstauen zu können.

Was er nicht ahnte: Ihm und seiner an Asthma leidenden Frau Lotte waren nur wenige Monate in dem aparten Häuschen inmitten unberührter Natur vergönnt – eine produktive Zeit, in denen er „Die Schachnovelle“ schrieb und seine Autobiographie vollendete.

Im Februar 1942 nahmen sich die Zweigs das Leben – aus Furcht vor dem sich nähernden Krieg, vor dem sie aus der alten Heimat geflohen waren.

„Ich möchte diesem wundervollen Lande Brasilien innig danken, dass mir und meiner Arbeit so gute und gastliche Rast gegeben hat. Mit jedem Tage habe ich dieses Land mehr lieben gelernt, nirgend hätte ich mein Leben lieber neu aufgebaut, nachdem die Welt meiner eigenen Sprache für mich untergegangen ist“, heißt es sinngemäß in seinem Abschiedsbrief, der in der „Casa Stefan Zweig“ an der Welt hängt. Heute beherbergt das letzte Heim des vereinsamten Mannes in der Rue Goncalves Dias ein kleines Museum.

Wohnviertel in Petropolis, Brasilien
Die Viertel von Petropolis erstrecken sich bis weit in die Täler des Gebirges.

Was du über Petropolis wissen musst…

Anreise: Die Fahrt mit dem Auto ab Rio de Janeiro dauert knapp zwei Stunden. Es lohnt sich, Zwischenstopps an Aussichtspunkten einzulegen. Alternativ kannst du auch den Bus nehmen. Vom Terminal Rodoviário Novo Rio fährt jede Stunde ein Bus nach Petrópolis. Die Fahrt kostet umgerechnet nur sieben Euro.

Noch einfacher geht es, wenn du auf getyourguide oder viator eine Tagestour buchst. Kosten rund 40 Euro. Die Besichtigung des kaiserlichen Palastes sowie ein Mittagessen sind im Preis bereits inbegriffen.

Beste Reisezeit: Der brasilianische Herbst (März bis Mai) sowie der Frühling (September bis November) sind ideal wegen des angenehmen Klimas.

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