Long Island: Das ist der Promi-Hotspot an der Ostküste der Vereinigten Staaten. Das einstige Bauernland vor den Toren New Yorks lockt seit rund 100 Jahren die Reichen und Schönen an. Das schöne Ende des 193 Kilometer langen Eilandes sind die berühmten Hamptons, wo Schauspieler, Musiker und Börsenspekulanten sündhaft teure Häuser besitzen.
Inhaltsverzeichnis
Ruhe vor dem Trubel in Big Apple
Wenn die New Yorker Ruhe vor dem Trubel in Big Apple suchen, setzen sie sich in eine Karosse oder steigen in einen der blau-gelben Züge der Long Island Rail Road. Raus aus den Hochhausschluchten, hinein ins Paradies mit noblen Weingütern in sattem Grün, vom Atlantik umgarnten puderzuckerweißen Traumständen und feudalen „Mansions“, wo das Who is Who der Schönen und Reichen rauschende Partys feiert: Ein solcher Kulissenwechsel lässt sich mühelos in einer Stunde bewerkstelligen. Was dem Hamburger sein Sylt, das ist dem New Yorker sein Refugium Long Island: ein idyllischer Garten Eden, wo einem die Meeresluft um die Nase weht und man schnell vergisst, wie nah die hektische, laute Millionenmetropole ist.
Der Weg nach Long Island
Eigentlich könnte Long Island auch Lobster-Insel heißen. Denn just so sieht das 193 Kilometer lange Eiland aus – wie ein Hummer mit gezückten Scheren, dessen breites Hinterteil mit New York verwachsen ist. Queens und Brooklyn liegen sogar auf der beliebten Urlaubsinsel, die flächenmäßig so groß wie Mallorca ist. Nur macht sich keiner zwischen Hochhausschluchten bewusst, dass eine Brückenlänge von New York entfernt links der Atlantik tobt, recht der Long Island Sound schäumt.
Durch Industriewüste
Mein Highway ins Glück beginnt dort, wo man es am ehesten erwartet: am Flughafen La Guardia. Die ersten Eindrücke der großen Nachbarinsel von Manhattan sind eher ernüchternd. Keine einsamen Strände, auf denen man barfuß kilometerweit schlendern kann. Keine geringelten Leuchttürme, die gen Atlantik blinken. Keine schneeweißen Holzhäuser mit ausladender Veranda und Schaukelstuhl davor. Stattdessen Dutzende Meilen industrieller Wüste, die nicht einmal einen Hauch von Urlaubsstimmung aufkommen lassen.
Glücklicherweise geht der Industrie-Hades schnell zu Ende. Und dann ist der Promi-Hotspot, als der Long Island häufig firmiert, richtig schön. Auf den ersten Blick könnte der dicht besiedelte Streifen Land als nahe Verwandte der Nordseeküste durchgehen, mit blütenweißen Stränden, fotogen im Wasser dümpelnden weißen Jachten und Fischrestaurants an jeder Ecke.
Long Island – ein bisschen Sylt-Feeling
Ein wenig erinnern die hübschen Kleinstädte an Atlantik und Long Island Sound an Kampen oder Keitum – nur ohne Reetdachhäuser, dafür mit verspielten viktorianischen Villen. Es gibt herrlich gelegene Golfplätze, wo sich die Weltelite zur US-Open trifft, Strände wie Coopers Beach bei Southhampton, die laut Stephen P. Leatherman alias Dr. Beach zur amerikanischen Spitzenklasse zählen, und luxuriöse Geschäfte, in deren Schaufenstern der Betrachter vergeblich nach Preisschildern sucht. Er könnte ja einen Herzinfarkt erleiden.
Vom Bauernland zum Promi-Hotspot
Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die 190 Kilometer lange Insel östlich des Hudson Rivers ein beschauliches Fleckchen Erde. Bauernland mit Kartoffelfeldern und Geflügelhöfen. Puritanische Siedler unter der Führung von Lion Gardiner waren die ersten Europäer auf Long Island, speisten die ansässigen Algonkin-Indianer mit einem Appel und einem Ei ab. Mit der Kartoffel fing alles an. Später folgten Gemüse und Obst. Unzählige Farmen haben dem Niedergang der Landwirtschaft getrotzt. Die Früchte ihrer Hände Arbeit – Erdbeeren, Kürbisse und selbst gemachte Marmelade – verkaufen die alteingesessenen Besitzer am Straßenrand.
Preisgekrönte Weinjahrgänge
In den 1960er und 1970er Jahren entdeckten ehrgeizige junge Winzer die Region „North Fork“ mit ihrem besonderen Mikroklima. Mutig experimentierten sie mit Grenache, Merlot und Riesling, bauten feine Weine aus. Heute gibt es zwischen Riverhead und Greenport über 30 Weingüter. Deren preisgekrönte Jahrgänge versetzen Weinenthusiasten in Verzückung. Wer will, kann durch die Weinberge streifen, sich lehrreichen Führungen anschließen oder die edlen Tropfen probieren. Eines der bekanntesten Güter ist das Familienunternehmen Bedell. Deren honigfarbener Schatz wurde bei der Amtseinführung von Barack Obama kredenzt.
Das Mekka der Stars
Doch muss ich deshalb nach Long Island? Edle Weine hat auch die Provence zu bieten. Surfboardern, die auf den Wellen des Atlantiks reiten, kann ich in Portugal bei der Arbeit zusehen. Endlose Strände haben die Inseln der Nordsee zuhauf zu bieten. Was Long Island so einmalig und unverwechselbar macht, sind die Bilder, die der Name heraufbeschwört: Bilder von Gier, Geltungssucht und Geldausgeben, von prominenten Köpfen gestern und heute. Long Island ist kurz gefasst eine snobistische Mixtur aus Sylt, Monaco und St. Moritz.
Der Mythos von Long Island
Es waren die Carnegies, Rockefellers, Vanderbilts und wie sie noch so hießen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts den Mythos von Long Island begründeten. Die Emporkömmlinge hatten fürstlich an Industrialisierung und Sezessionskrieg verdient. Jetzt wollten sie einen Lebensstil pflegen, der Europas vergötterten Blaublütern in nichts nachstand. Und keineswegs nur Long Island Iced Tea mit reichlich Wodka, Gin, weißer Rum, Tequila und Orangenlikör schlürfen.
Wolkenkuckucksheime der (Neu-)Reichen
Long Island wurde der „Place to Be“ für die Sommerfrische. Das östliche End – auch bekannt als „The Hamptons“- mauserte sich zur luxuriösesten Spielwiese. Innerhalb weniger Jahrzehnte entstand hier eine architektonische Traumwelt, eine Ansammlung von verspielten Wolkenkuckucksheimen, eines luxuriöser als das andere. Es waren krude Kompositionen aus gotischen Bibliotheken, barocken Empfangshallen, Salons im Stil des Rokokos und antiken Schwimmbädern.
Geadelt durch F. Scott Fitzgerald
Einen Zeitgenossen beeindruckten diese opulenten, prahlerischen Fluchtburgen besonders: F. Scott Fitzgerald. Der amerikanische Schriftsteller, dessen Lebensstil in vielem dem seines berühmten Romanhelden Jay Gatsby glich, war ein gern gesehener Gast in jenen herrschaftlichen Palästen der High Society, die dem Inselende den mehr als passenden Namen Gold Coast einbrachten. Gemeinsam mit seiner Frau Zelda, einer Tochter aus gutem Südstaatenhaus, trank er sich die Prohibition schön; nachdem er voll bekleidet in öffentliche Brunnen gehüpft war.
Aufschwung in den Goldenen Zwanzigern
Ohne die Fitzgeralds, dieses geltungs- und vergnügungssüchtige Paar, wären die Goldenen Zwanziger eine furztrockene Angelegenheit gewesen. Und ohne die Romangestalt Jay Gatsby wäre die Literaturgeschichte deutlich ärmer. Seine protzige Residenz auf Long Island, diese jazz-geschwängerte Kathedrale der Roaring Twenties hat es nicht gegeben, wohl aber Versatzstücke für das eklektische Dornröschenschloss. Im Roman diente es nur einem Zweck: die angebetete Daisy mit Luxus und Extravaganz zu beeindrucken und für sich zu gewinnen.
Ein Emporkömmling aus Mannheim
Otto Hermann Kahn, Sohn einer Bankiersfamilie aus Mannheim und in den 1920ern eine der bekanntesten Persönlichkeiten der USA, war sicherlich keiner, der es in puncto Attraktivität mit Hollywoods Gatsby-Darstellern Robert Redford und Leonardo Di Caprio aufnehmen konnte. Die Gemeinsamkeiten mit Fitzgeralds zwielichtigem Roman-Parvenü, der dank krummer Geschäfte und explodierender Börsen zu unschätzbarem Reichtum gekommen ist, sind unübersehbar.
Ein Heim wie Fountainebleau
Der Geldadel der Ostküste rümpfe über den jüdischen Emporkömmling die Nase. Der versuchte, mit einem feudalen Sommerhaus die Nachbarschaft zu beeindrucken: Wasserspiele wie in Fountainebleau, Kronleuchter groß wie Hundehütten, Speisezimmer mit Ballsaalformat, Tennisplätze und eigene Flugpiste gaben die Kulisse für rauschende Champagnerpartys und selige Cocktailrunden ab.
Promis gehen ein und aus
Douglas Fairbanks und die Marx-Brothers gingen bei Kahns Party-Parade ein und aus. Charlie Chaplin zählte zu seinen engsten Freunden. Selbst Caruso sang hier zur Unterhaltung der illustren Gäste. Wahrscheinlich wäre das zweitgrößte Privathaus Amerikas mit 125 Räumen längst den Weg alles Vergänglichen gegangen, weil Bauboom und Bauwut vor den luxuriösen Villen mit ihren herrschaftlichen Grundstücken nicht Halt machen. Doch dann kaufte ein privater Investor das herunter gekommene Anwesen.
Privathaus als Filmkulisse
Mehr als 35 Millionen Dollar hat er seitdem in die Kopie von Schloss Fountainebleau gesteckt und sie in ein luxuriöses Hideaway namens „Oheka“ umgestaltet. Hier lassen sich Promis wie Jennifer Lopez und Justin Timberlake verwöhnen, geben sich Filmemacher die Klinke in die Hand.
Long Islands teure Schollen
Andere Paläste hatten weniger Glück. Sie sind längst verschwunden: hinweg gefegt von diversen Hurrikans oder Investmenthaien mit Dollarzeichen in den Augen, die die riesigen Latifundien als Bauland verscherbelten.
Was an historischen Stätten überlebt hat, einschließlich der Häuser früherer Präsidenten, Dichter und Künstler, wird heute der Öffentlichkeit präsentiert. Das noble Falaise Mansion im Sand’s Point Preserve zum Beispiel – ein Haus im normannischen Stil voller Antiquitäten -, gehörte einst dem Diplomaten Harry Guggenheim, der privat ein begeisterter Pferderennfan war. Ironischerweise ist das Wohnzimmer des Herrenhauses jener Ort, an dem die berühmte Pferdekopf-Szene aus dem Film „Der Pate“ von 1972 spielt.
Die Hamptons locken den Geldadel
Statt „old money“ sind es heute die (Neu-)Reichen und Schönen, die sich auf Long Island eingenistet haben. Vor allem die legendären Hamptons sind fest in der Hand des Geld-Adels von der Upper East Side, der für Villen mit dunkel gewordenen Zedernschindeln zweistellige Millionenbeträge auf den Tisch blättert. Zum Hummeressen reist die illustre Gesellschaft stilecht per Wasserflugzeug aus dem nahen New York an.
Dörfchen mit Harry-Potter-Charme
Wer durch Southampton, Bridgehampton, East Hampton oder die anderen Dörfchen mit Harry-Potter-Charme schlendert, ist mittendrin im Promi-Hotspot. Unfreiwillig wird man zum Paparazzo, wenn Mariah Carey über den Bordstein stolziert, Beyoncé und Jay-Z im überdimensionierten Landrover vorfahren oder Steven Spielberg Ausschau nach passenden Filmkulissen hält. Es soll schon vorgekommen sein, dass Normalsterbliche beim Schaufensterbummel einer echten Hollywood-Göttin begegnet sind. Schließlich ist die Insel ist seit langem ein beliebter Schauplatz für kleine und große Hollywood-Produktionen.
Ein superteures Pflaster
Wenn im sommerlichen Manhattan der Teer auf den Straßen schmilzt, stauen sich auf dem Highway spritschluckende Luxuskarossen. Dann dominiert in East Hampton Ferrari-Rot und Bentley- Beige. An der Mainstreet machen Filialen von Tiffany, Guccy und H. Stern glänzende Geschäfte. Eine Armada aus Immobilienmaklern bietet ihre Dienste feil -schließlich gibt es keinen besseren Nachweis für die Mitgliedschaft im elitären Club als ein sauteures Haus in den Hamptons, über dem fotogen das Sternen-Banner weht.
Skurriler Nachbarschaftsstreit
Der endlose Wettbewerb im sich Überbieten treibt gelegentlich skurrile Blüten – wenn „Piano-Man“ Billy Joel und „Amerikas beste Hausfrau“ Martha Stewart ihren Nachbarschaftsstreit über die Höhe ihrer Hecken austragen. Giebel, Erker und Türmchen an den Protz-Palazzi der Neureichen täuschen Familienbesitz seit Generationen vor – wenn man die versteckten Anwesen überhaupt zu Gesicht bekommt. In den hippen Strandresorts, wo sich Börsenspekulanten Footballgrößen und Chartstürmer zu Champagner- und Austernschlürfen versammeln ist vieles mehr Schein als Sein. Die Stühle sind oft aus Plastik, an den Rebstöcken hängen Kunststofftrauben zu Deko-Zwecken. Das hilft es auch nichts, wenn die gewieften Manager von St. Tropez-Feeling schwafeln.
Es ist zu schön hier für hässliche, arme Menschen
soll Modeschöpfer und Hamptons-Liebhaber Ralph Lauren über den sündhaft teuren Landstrich gesagt haben. Manchmal scheint sich das einstige Bauernland von so viel Überheblichkeit distanzieren zu wollen. An den endlos langen Stränden hüpfen Normalos in den unterkühlten Atlantik, die per Vorortzug nach Long Island gekommen sind. Bauern bieten Maiskolben, Tomaten und selbstgepflückte Beeren feil. Und in Greenport, dem ehemaligen Austernfischerstädtchen, werden bei Claudio‘s, dem ältesten familiengeführten Restaurant der USA, Burger vom Format XXL aufgetischt. All die Hungerhaken aus Hollywood müssen um solche Kalorienbomben einen Bogen machen.
Ein Platz zum Verlieben: Shelter Island
Der schönste Platz auf Long Island ist das idyllische Shelter Island. Es liegt zwischen den beiden „Scheren“ und sein Name ist Programm. Hier erlebe ich beschaulichen Ostküsten-Charme. Hier ist schlechtes Promi-Benehmen allenfalls eine Fußnote in den Nachrichten. Die schneeweißen Häuser sind riesig, die Hecken gewaltig, die Rasenflächen auf Wimbledonmaß getrimmt. Ein Ort wie geschaffen für Tagträume.
Long Islands Ende: Montauk
Wo das Land in den Ozean kippt, liegt Montauk – ein Name, der jedem Max-Frisch-Leser ein Begriff ist. Dessen Leuchtturm war nicht nur eines der ersten öffentlichen Bauwerke der USA; sein Standort auf einer Klippe ist so spektakulär, dass kaum ein Prospekt über Long Island ohne dieses Leuchtturmbild auskommt. Umstritten war der Bau nicht. Schließlich brachte es gute Beute, wenn englische Schiffe gegen den Felsen prallten und reif zum Plündern waren.
Dem Gespenst von Montauk – einer jungen Frau namens Bridget – bin ich nicht begegnet; auch nicht dem Gitarrenspieler, der gelegentlich zu Füßen des Leuchtturms die Saiten zupft und Paul Simon heißt. Doch der pfeifende Wind, das schäumende Meer und das kleine Museum, dessen größter Schatz ein Brief George Washingtons ist, zeigen: Die Welt ist auch ohne Promis schön.
Die Züge der Long Island Rail Road fahren von der Penn Station in Manhattan zu allen Orte in den Hamptons. Die Fahrtzeit bis East Hampton dauert zwei Stunden und 40 Minuten. Die einfache Fahrt gibt es ab 16 Euro. Preise variieren je nach Tageszeit und Buchungsart, ob per Internet oder im Zug..
Wer es komfortabel mag, bucht den Hampton Jitney. Der geräumige Bus bietet 30 Passagieren Platz. An Bord gibt es kostenfreie Snacks und Getränke. Die einfache Fahrt ab New York gibt es ab 54 US-Dollar.
Beste Reisezeit: Wer schlau ist, meidet die Hauptsaison- vom letzten Sonntag im Mai (Memorial Day) bis zum ersten Sonntag im September (Labor Day). Dann wird es nicht nur extrem voll auf der Insel. Die ohnehin schon hohen Preise klettern in astronomische Höhen. Die wenigen Motels und Bed & Breakfast-Pensionen sind Monate im Voraus belegt. Unter 100 Dollar pro Person und Nacht kommt man nirgendwo auf Long Island unter. Die Parkgebühren nahe der Strände reißen tiefe Löcher in den Geldbeutel.
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