Die Euganeischen Hügel? Da wird mancher Leser erstmal zögern. Griechenland oder doch eher Italien. Letzteres ist der Fall. Wer an den Euganeischen Hügeln scheitert, muss sich nicht grämen. Denn zwei Orte diese Hügelkette vulkanischen Ursprungs südwestlich von Padua kennen die meisten bestimmt: Abano Terme und Montegrotto Terme. Die beiden Kurorte sind bekannt für ihr mit Mineralien und Salzen angereichertes Heilwasser. Von heilkräftigem Fango, dem Büßergang zu einer Wallfahrtskirche und einem der schönsten Plätze Italiens. Die beiden Orte gehören zwar nicht zu den Great Spas of Europe wie Karlsbad oder Marienbad. Doch was nicht ist, kann ja noch werden.
Inhaltsverzeichnis
Tag 1 und 2: Fango in Abano Terme
Paola, die resolute Italienerin, holt sich eine Absage nach der anderen. Die Physiotherapeutin mit dem modischen Kurzhaarschnitt wandert von Sonnenliege zu Sonnenliege, im Gepäck die nachmittägliche Wassergymnastik, die Gelenke schmiert und Muskeln stärkt.
Doch die italienischen Signoras in knappen Bikinis, die deutschen Herren mit Bierbauch schlürfen lieber den obligatorischen Aperol Spritz statt sich im 36 Grad warmen Thermalwasser zu verausgaben.
Auf heilkräftigen Schlamm gebaut
Abano Terme und sein Zwilling Montegrotto Terme sind zwar auf Schlamm gebaut, auf jenen berühmten Fango, dessen heilkräftige Wirkung schon die alten Römer zu schätzen wussten. Doch warum das gesundheitlich Nützliche nicht mit dem Angenehmen verbinden? Der morgendlichen Schlammpackung nicht das nachmittägliche Sonnenbad für die Urlaubsbräune folgen lassen? Abanos Hinterland, die Euganeischen Hügel, sind viel zu schön ist, um sich dem Faulenzertum hinzugeben.
Die Euganeischen Hügeln, jene knapp 100 erloschenen Vulkanen, ragen wie Maulwurfshügel aus der platten Poebene heraus. Beim Gedanken an das reiche Veneto kamen mir bisher vor allem drei der lebhaftesten, kunstsinnigsten Städte Italiens in den Sinn: Padua, Vincenca und Venedig.
Sieben Tage in den Colli Euganei bringen nicht nur den Körper in Schwung; sie verlocken auch zu Ausflügen zu Klöstern, Kirchen und Schlössern, zu Abstechern zu verwunschenen Gärten um venezianische Villen, zu Mußestunden in Trattorien und Osterien, zu Weinproben mit dem Rebensaft der Vulkanlandschaft, der noch nicht verdorben ist von zu all zu viel Geschäftssinn.
Zum Schluss winken Giottos herrliche Fresken in der Scrovegni-Kapelle in Padua: vorausgesetzt, der Kunstfreund hat sich die Eintrittskarten rechtzeitig per Internet reserviert.
Abano – vom Thermalbecken bis zum Whirlpool
Hätten all die Kurwilligen und Vergnügungssüchtigen Gelegenheit, Abano von oben zu betrachten, sie würden eine blau schimmernde, in den kalten Wintermonaten dampfende Ansammlung von Thermalbädern, Schwimmbecken mit olympischen Maßen und wellnesstauglichen Whirlpools entdecken. Alles unter einem Dach lautet die Devise in den weit über 100 Hotels in diesem 1927 zum Heilbad erhobenen Städtchen und seiner Nachbarin Montegrotto.
Heiße Umarmung mit dem tonigen Brei
Schon am frühen Morgen, wenn die Straßen noch nicht vom Lärm knatternder Vespas erfüllt sind, karren die Fangini den heilkräftigen Schlamm eimerweise heran. Von allerlei Zipperlein geplagte Kurgäste warten auf die feucht- heiße Umarmung mit dem tonigen Brei. Der lange Gang mit den Behandlungskabinen erinnert nicht umsonst an einen Krankenhausflur – schließlich soll die braune, ziemlich glitschige Pampe Beweglichkeit zurückbringen und Schmerzen lindern.
Der weltberühmte Fango
Die erste Begegnung mit dem weltberühmten Fango ist jedoch alles andere als lustvoll: Mit Schmackes klatschen die hilfreichen Geister den höllisch-heißen Matsch auf Rücken und Pobacken. Sie betten ihr williges Opfer in den wenig appetitlichen Brei und packen den Fango-Gläubigen in Leintücher und Wolldecken ein. Es folgen 20 Minuten Schwitzen, die eine finnische Sauna als angenehm temperiert erscheinen lassen.
Die Legende von Abano Thermo
Es lässt sich trefflich streiten, ob die oberitalienische Thermenstadt das größte Kurbad Europas ist. Eines der ältesten ist es auf jeden Fall. Natürlich ist ihr Ursprung – wie sich das für die Nachfahren der alten Römer gehört – durch Legenden verklärt. Der Sage nach ist Phaeton, der Sohn des Sonnengottes Helios, für den Reichtum an Quellen verantwortlich. Genau hier, in diesem sonnenverwöhnten Landstrich, stürzte er mit Vaters vierspänniger Luxuskarosse ab. Weshalb allerdings VW sein superteures Flaggschiff nach dem göttlichen Fahranfänger benannt hat, wird wohl auf ewig das Geheimnis der Wolfsburger bleiben.
Schon Herkules liebte das Heil bringende Nass
Das Heil bringende Nass, das mit 87 Grad aus der Erde sprudelt, blieb nicht lange unentdeckt. Einer der ersten Kurgäste soll der griechische Held Herkules gewesen sein, der nach vollbrachtem Sieg gegen den Riesen Geryon etwas Stärkung gebrauchen konnte.
Dem Burschen und seinen Gefährten gefiel die Gegend so ausnehmend gut, dass sie Griechenland glatt vergaßen und auf dem Gebiet von Abano einen Tempel bauten – mit angeschlossenem Orakel, bei dem selbst der spätere Kaiser Tiberius Rat holte.
“Mos baianum” in den Euganeischen Hügeln
Die dampfenden, nach Schwefel riechenden Gruben in dieser damals überwiegend sumpfigen und von Wäldern bedeckten Gegend, von denen der Dichter Claudius Claudianus im vierten Jahrhundert nach Christus berichtet, waren der Grundstock für einen florierenden Kurort.
Hier stärkten die Gutsituierten Körper und Geist. Sie lustwandelten in Gartenanlagen und vergnügten sich in Theatern und schönen Patrizierhäusern. Es wurde regelrecht Mode, sich dem „mos baianum“ hinzugeben, einem ziemlich ausgelassenen Lebensstil, der Sittenwächter sicherlich auf den Plan gerufen hätte.
Archäologische Funde in Montegrotto Terme
Das archäologische Ausgrabungsgelände in Montegrotto Terme, wo Tausende Gläser, Tassen, Gefäße und Gegenstände aus Bronze ans Tageslicht befördert wurden, gibt einen guten Eindruck von jener Zeit, als Römer, Goten und Langobarden zur „fons Aponi“ pilgerten und am Mons Aegrotorum, dem Berg der Erkrankten, verlorene Gesundheit wiedererlangten. Von ihm leitet sich wahrscheinlich der Name Montegrotto ab.
Luxuriöse Landsitze des Adels
In der Renaissance kamen venezianische Adelsfamilien und bauten prachtvolle Landsitze entlang eines weitverzweigten Kanalsystems, das bis heute die Dogenstadt mit Padua, der Prächtigen, verbindet. Galileo Galilei ließ sich das „Muttergotteswasser“ sogar nach Padua bringen. Später war es Europas gut betuchte Oberschicht, die sich in den heißen Heilschlamm packen ließ und anschließend im wohlig temperierten Thermalwasser badete.
Abano Therme: eine Kurstadt ohne viel Flair
Mozart, Shakespeare und Lord Byron waren hier, natürlich Goethe während seiner italienischen Reise. Wer nun allerdings einen historisch anmutenden Badeort erwartet, mit prächtigen Villen aus der Zeit der K.und K.-Monarchie, wird enttäuscht werden.
Abano ist mitnichten die Italienische Ausgabe des tschechischen Marienbads, kein zweites Baden-Baden mit reizvoller Architektur und schattigen Flaniermeilen.
Zugegeben: Es gibt das Grand Hotel Orologio, das im 18. Jahrhundert von einer Adelsfamilie erbaut wurde und dessen neoklassizistische Fassade die Fußgängerzone dominiert. Doch das Wahrzeichen der Geschichte Abanos steht schon lange leer, und eine mögliche Nutzung des lang gezogenen Baus ist nicht in Sicht.
Immerhin erinnert das geschichtsträchtige „Trieste & Victoria“, wo während des Ersten Weltkrieges das italienische Oberkommando untergebracht war, an jene Zeiten, als sich ein wohlhabendes Völkchen unter flammenden Kristalllüstern im Walzertakt wiegte.
Die meisten Hotels stammen aus der Nachkriegszeit
Die meisten Hotels wurden allerdings in den 50er, 60er und 70er-Jahren hochgezogen: schnell, preiswert und mit viel Beton. Der Modernisierungsschub im Inneren, die liebevolle Gestaltung von Gartenanlagen, das Aufhübschen mit ausgefallenen Pools kann das freudlose Äußere vieler Herbergen nicht übertünchen.
Hotelruinen künden vom Niedergang
Es gab Zeiten, da füllten sich die Abertausend Hotelbetten von ganz allein, glich der Fund vom Thermalwasser im eigenen Vorgarten dem einer sprudelnden Ölquelle. Endlose Buskarawanen karrten Heilung Suchende via Brenner und Gotthardtunnel zu den Euganeischen Thermen, zu denen neben Abano und Montegrotto auch die sehr viel kleineren Ortschaften Galzignano Terme und Battaglia Terme zählen.
Drei Wochen Kur auf Kosten der Krankenkassen waren die Regel und nicht die Ausnahme, der Gesundbrunnen im Ausland kein Problem. Doch mit den Einschnitten im Gesundheitswesen versiegte der Strom von Kassenpatienten. Wer nicht rechtzeitig neue Gästekreise erschloss, blieb auf der Strecke. Hotelruinen mit blätterndem Putz, leeren Fensterhöhlen und verwilderten Gärten künden vom Niedergang.
Die zwei Gesichter Abanos
Von morbidem Charme zu sprechen, wäre dennoch gänzlich unpassend. Abano ist ein typisch italienisches Städtchen, mit zwei verschiedenen Gesichtern. Im alten Ortskern nahe des Doms San Lorenzo finden sich kleine Geschäfte, Trattorien und jede Menge jugendlicher Überschwang.
Zwei Kilometer weiter, im Kurviertel, spazieren Urlauber durch den Thermalpark und die Viale delle Terme, die quirlige Fußgängerzone, wo kleine Boutiquen Kitsch und Kunst aus Muranoglas, Badeanzüge und High Heels mit viel Bling Bling verkaufen. Die russische Kundin will beim abendlichen Dinner schließlich glänzen.
Die Gäste haben sich gewandelt
Der Rest liebt es eher leger, auch wenn die Kellner, die Vorspeise und Hauptgang am Tisch servieren, so elegant wie eh und je gekleidet sind. Die Gästeschar hat sich gewandelt. Statt gebrechlicher Herrschaften tummeln sich italienische Großfamilien am Pool; statt betagter Senioren zieht es Best Ager zu Entdeckungstouren mit Mountainbike und E-Roller.
In den Schönheitsoasen lassen sich elegante Signoras den heilsamen Brei lieber ins Gesicht, statt auf schmerzende Knie schmieren. Im hauseigenen Fitnessstudio arbeiten sich angehende Muskelpakete an Rädern und Rudermaschinen ab, um anschließend zu Aquabike und Aquastepper zu wechseln. Irgendwann landen alle bei Paola oder eine der anderen guten Feen, die mit Zauberhänden gesegnet sind. Und die erwecken selbst den verspanntesten Bürokrieger wieder zum Leben.
Wie kommt man hin: Der nächste Bahnhof ist der Bahnhof Terme Euganee in Montegrotto.. Bequem ist auch der Bahnhof von Padua, der an der Bahnlinie Milano – Venezia liegt. Auf dem Platz vor dem Bahnhof fahren alle 15 Minuten Autobusse nach Abano ab. Die Fahrt dauert etwa 30 Minuten
Tag 3: Die Vulkankegel der Euganeischen Hügel
Ihren unbezahlbaren Schatz verdanken die Thermenorte den Euganeischen Hügeln, die sich schon auf der Autobahn Richtung Venedig vors Auge schieben. Es wäre zwar vermessen, die kegelförmigen Erhebungen als Berge zu bezeichnen – der Monte Venda bringt es auf Schlappe 601 Meter, seine Nachbarn krebsen bei 200 bis 300 Metern herum – doch Wanderer und Radfahrer freuen sich über die waldbedeckten Kuppen inmitten einer topfebenen Gegend.
Der Landstrich der Radfahrer
Letztere düsen übrigens wie gesengte Säue die schmalen Sträßchen zwischen den einzelnen Colli hinab. Die wilden Namensgeber, von denen es zwischen Abano und Este etliche geben soll, bekommt der Entdecker eher selten zu Gesicht.
Seit 1989 sind die Euganeischen Hügel ein “Parco Regionale”
Vor 35 bis 40 Millionen Jahren erstreckte sich zwischen Alpen und Apennin eine riesige Meeresbucht. Und weil es im Erdinnern mächtig brodelte, folgte ein Vulkanausbruch dem nächsten. Jede Eruption gebar einen Vulkankegel, die aus dem Wasser herausragten.
Die Einzigartigkeit dieses Naturphänomens zeigt sich heute vor allem an der Flora, denn in den Colli Euganei gedeiht die ganze Bandbreite an Pflanzen. Hier wachsen mediterrane Gehölze, Eichen und Kastanien, aber auch Mischwald und Vertreter der typischen Bergvegetation.
So überaus reich präsentiert sich die Natur, dass die gesamte Hügellandschaft 1989 zum „Parco Regionale“ erklärt wurde, wo ein gutes Dutzend Wanderwege ausgewiesen wurden. Einer der schönsten, der Monte della Madonna, führt zu zwei alten Kultstätten, dem kleinen Gebetshaus San Antonio Abate aus dem 14. Jahrhundert und der Marienwallfahrtskirche mit dem daran angeschlossenen kleinen Benediktinerkloster.
Heiße Quellen für die Fangotherapie
Die paar Dutzend Vulkane sind längst erloschen, doch aus den Erdspalten sprudelt jenes heiße Nass empor, das unverzichtbar für die Fangotherapie ist. Wenn es von den Hotels gefördert wird, hat es bereits einen langen Weg hinter sich. Es kommt aus dem Vorgebirge der Dolomiten, fließt dann unterirdisch 100 Kilometer weit nach Süden und trifft nach etwa 30 Jahren bei den Euganeischen Hügeln an die Oberfläche – genügend Zeit, um sich mit wertvollen Mineralien anzureichern.
Die heilkräftige Tonerde muss 60 Tage reifen
Zusammen mit der Tonerde, die aus dem kleinen Costasee in der Nähe von Arquà Petrarca gewonnen wird, wird es zu jenem wundersamen Brei gemischt, der bis zur Verwendung mindestens 60 Tage reifen muss. Bis jener blaugrün schimmernde Film aus Bakterien und Algen entstanden ist, dem Wissenschaftler eine entzündungshemmende Wirkung zusprechen.
Mein Tipp: Der Ring der Euganeischen Hügel ist ein Radweg, der auf einer Länge von 64 Kilometer um den Regionalpark verläuft. Die Strecke ist einfach, fast immer flach, abgesehen von einem kurzen Anstieg am Monte Sereo, und nutzt die Dämme der vielen Kanäle, die die Euganeischen Hügeln umgeben. Die Straße ist größtenteils asphaltiert. Der Ring kann in beide Richtungen befahren werden. In Abano Terme, Monselice und Este gibt es zusätzlich Zugstationen.[
Tag 4: Ausflug ins Mittelalter
Arquà Petrarca ist nicht allein wegen seiner Tonerde-Vorkommen berühmt, sondern vor allem wegen eines Bewohners: des Dichters Francesco Petrarca, der zeitgleich mit Dante das Italienische als Literatursprache adelte.
Im fortgeschrittenen Alter kam er in das Dörfchen am Südhang des Monte Ventolone, verliebte sich in die verzaubernde Landschaft und bezog ein schmuckes Häuschen im oberen Ortsteil, das ihm der Stadtherr von Padua schenkte. Hier blieb der Vertreter der Renaissance bis zu seinem Tod im Jahr 1374.
Die Fresken in der “Casa del Petrarca”
Die „Casa del Petrarca“ ging durch verschiedenen Hände; einer der Nachbesitzer ließ alle Räume mit Fresken schmücken, die Szenen aus dem Leben und dem Werk des gefeierten Humanisten zeigen. Aus Petrarcas Zeit blieben nur sein Sessel und ein Bücherschrank erhalten. Auch der kleine, ummauerte Garten verrät nicht, dass der Dichter, Poet und Diplomat einst Wein, Äpfel und Kräuter anbaute.
Heute ist in dem einstigen Wohnhaus ein kleines Museum untergebracht – mit einer Katzenmumie als recht skurriles Ausstellungsstück. Kurios ist auch die Geschichte zu Petrarcas Sarkophag aus rotem Veroneser Marmor vor der Pfarrkirche: Dem Dichterfürsten fehlt nämlich nicht nur der rechte Arm – angeblich gestohlen. Als Forscher anlässlich des 700. Geburtstags des Hochverehrten die Leiche 2004 genauer unter die Lupe nahmen, stellten sie fest, dass der Kopf im Sarg der einer Frau war.
Arquà Petrarca: eines der schönsten Dörfer Italiens
Das knapp 2.000 Seelen zählende Örtchen wirkt wie aus der Zeit gefallen und gilt nicht umsonst als eines der schönsten Dörfer Italiens. Es ist, als würden die gewundenen Stiegen nicht nur vom unteren Teil des Bilderbuchortes zum oberen führen, sondern auch aus der Gegenwart zurück ins Mittelalter.
An den schmalen, gepflasterten Gassen, die für Autoverkehr nicht geschaffen sind, reihen sich stolze Steinhäuser mit winzigen Fenstern auf; in den verwunschen wirkenden „brolos“- eine Kreuzung aus Zier- und Gemüsegarten- duftet es nach Rosmarin, Basilikum und anderen mediterranen Gerüchen. Auf winzigen Plätzen rufen Waschtröge und Tränken Erinnerungen an längst vergangene Zeiten wach.
Ein Fest für alle: die „Fiesta delle Giuggiole“
Im Oktober erwacht der mittelalterliche Ortskern zu neuem Leben, wenn Einheimische und Touristen die „Fiesta delle Giuggiole“ feiern.
Die süße, einer Olive ähnelnde Brustbeere stammt eigentlich aus China, wurde aber schon seit römischen Zeiten auf den sanft abfallenden Hängen rund um Arquà angebaut. Der likörartige Saft soll entspannend und leicht euphorisierend wirken. Doch auch in Grappa eingelegt oder zu Pralinen verfeinert, finden die Beeren ihre Liebhaber.
Der Geheimtipp in den Euganeischen Hügeln: Petrarcas Wahlheimat bietet sich hervorragend zum Wandern an. Mit dem Monte Atestino sowie dem Monte Calbarina und dem Monte Piccolo stehen drei schöne Wanderregionen zur Verfügung. Doch auch die Wandergebiete rund um Este, Galzignano Terme und Monselice sind von Arquà Petrarca aus leicht zu erreichen.
Tag 5: Büßergang in Montselice
Die Sünder unter uns – und wer kann guten Gewissens behaupten, dass er davon frei ist – zieht es zum heiligen Felsen von Montselice, dessen alter Name „Berg des Feuersteins“ viel über die einstige Bedeutung verrät.
Jahrhundertelang wurde in Mons Selicis Trachyt gebrochen, ein hellgrauer Vulkanstein, mit dem selbst der Markusplatz von Venedig gepflastert wurde. Schon von weitem erkenne ich die größte Attraktion der Gegenwart, das Wallfahrtsheiligtum Sette Chiese: sechs winzige Kapellen und eine stattliche Kirche pflastern die Via al Santuario, die an der eleganten Villa Duodo endet.
Sündenerlass wie in Rom
Deren Besitzer, eine venezianische Patrizierfamilie, hatte beste Beziehungen zum Heiligen Stuhl und nutzte dies zum eigenen Vorteil aus: Eine päpstliche Bulle von 1605 gewährt Pilgern zur Sette Chiese den gleichen Sündenerlass wie bei einer Pilgerfahrt zu den sieben größten Basiliken Roms. Die christlichen Märtyrer, die einst aus Rom überführt wurden und deren kärgliche Überreste in gläsernen Särgen in der dem Heiligen Georg geweihten Kirche ruhen, ziehen Wallfahrer zusätzlich an.
Also ziehe ich das Büßergewand über und schleppe mich wie unzählige Gläubige über den gepflasterten Pilgerweg, vorbei an dem trutzigen Castello. Das Konglomerat aus Stilen verrät, wie sehr sich die Aufgaben des Herrensitzes im Lauf der Zeit veränderten: Burg, Residenz, Wachturm und Villa.
Ein paar Schritte weiter blicken hutzelige Zwergenfiguren auf den Strom der Büßer herab, die an heißen Tagen beim Aufstieg ganz schön ins Schwitzen kommen. Wer gut zu Fuß ist, klettert von der Chiesa di San Giorgio Dutzende von Stufen zum 150 Meter hohen Hügel hinauf, der von der Mastio Federiciano, einer Festung aus der Zeit des Stauferkaisers Friedrich II gekrönt wird.
Blick über die Colli Euganei
Zum Lohn für all die Mühen gibt es vom Bergfried einen atemberaubenden Blick über die Euganeischen Hügel: Angesichts der sanft geschwungenen Hügelketten, der Rebhänge und der schlanken Zypressen fühle ich mich, als wäre ich mitten in der Toskana gelandet. Kein Wunder, dass sich Klosterbrüder und -Schwestern in diesem gesegneten Landstrich dem lieben Gott näher fühlten und vermögende Venezianer hier Villen bauten.
Ein dekadenter Landsitz: die Villa Barbarigo
Das vielleicht schönste und gleichzeitig dekadenteste Beispiel solcher Repräsentationssucht findet sich in Galzignano Terme. Francesco Barbarigo, der sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts eine prächtige Villa bauen ließ, muss ein rechtes Vermögen in Haus und Garten gesteckt haben. Die grüne Lunge gilt als eine der schönsten auf dem Stiefel – voll mit Symbolik und Anspielungen auf die Vergänglichkeit der Zeit.
Monumentaler Eingang zum Landgut
Dich erwartet ein überraschendes Universum an Brunnen, Bächen und Fischteichen, mit einem Buchsbaum-Labyrinth im Zentrum, durch das ich wohl noch immer irren würde, hätte mich die freundliche Aufseherin auf dem Aussichtsturm nicht zum Ausgang geleitet. Zwischen haushohe Buchsbaumhecken und Jahrhunderte alten Bäumen verstecken sich über siebzig Skulpturen, beispielsweise Panther, die die gleichnamige Treppe säumen.
Ein Eingangsportal wie eine Hausfassade
Das Prunkstück aber ist ohne Zweifel das Diana-Portal, das einst den monumentalen Eingang zu dem Landgut markierte. Wie eine prächtige Hausfassade steht es inmitten eines schilfbewachsenen Teiches, der einst das natürliche Ende eines weitverzweigten Kanalsystems markierte.
Es gehört nicht viel Fantasie dazu, um sich vorzustellen, wie vor langer Zeit prächtig geschmückte Gondeln mit opulent gewandeten Gästen im Schein der Kerzen am Diana-Portal anlegten, um im Lustgarten der Barbarigos ausschweifende Feste zu feiern.
Tag 6: Die Heiligen von Padua
Ich hätte noch gern einen Blick in die unscheinbare Capella degli Scrovegni in Padua geworfen, auf Giottos „Jüngstes Gericht“, auf die Szenen aus dem Leben von Maria und Jesus vor einem tiefblauen Hintergrund, die seinen Ruf als Wegbereiter der Renaissance begründeten. Doch der nette Herr im Musei Civici agli Eremitani macht mir schnell klar, dass ein solch spontaner Besuch beim Meister aus Florenz einem göttlichen Wunder gleichkäme.
Ein Trojaner als Stadtgründer
So stürze ich mich in die Gassen der Stadt, die angeblich von dem sagenhaften Trojaner Antenor im Jahr 1184 vor Christus gegründet wurde und die dank ihrer 70.000 Studenten ein quirliges Universum ist.
Bewundernd stehe ich vor dem imposanten Palazzo della Rangione mit seinen offenen Loggien an den Längsseiten, wo alles feilgeboten wird, was das kulinarische Herz begehrt. Sprachlos starre ich auf das Meer aus Wappen, die den Palazzo del Bo schmücken, wo schon Galileo Galilei lehrte und sich der älteste medizinische Hörsaal der Welt verbirgt. Ermattet von so viel Glanz und Pracht bette ich mich unter die schattigen Bäume am Prato della Valle, der seine Vergangenheit als monumentales antikes Theater nur schwer verbergen kann.
Padua: Kunst, Kirchen und Studenten
Padua: ein Meer aus Kirchen
Dass ich Giottos weltberühmte Fresken nicht gesehen habe, habe ich längst überwunden, zumal Padua in Sachen Kirchen nicht kleckert, sondern klotzt. Die Basilica di Sant’ Antonio – mit ihren acht riesigen Kuppeln und schlanken Spitztürmchen eine höchste eigenwillige Konstruktion aus dem frühen Mittelalter – wurde zu Ehren des Heiligen Antonius errichtet, und um den gleichermaßen volkstümlichen wie wortgewaltigen Asketen dreht sich im Innern alles. Menschentrauben stauen sich vor seinem riesigen Sarkophag, Hände berühren ihn, Münder küssen ihn ehrfurchtsvoll.
Medaillons und Fotos von Gläubigen, die Hilfe erflehen, zeigen, wie stark der Glaube an den Franziskanermönch noch immer verankert ist. Draußen vor der Tür blüht der Devotionalienhandel. Kerzen wechseln den Besitzer, Rosenkränze, Schneekugeln mit winzigen Modellen der Basilika. Wie schrieb schon Wilhelm Busch:
Zu Padua war groß Gedränge der andachtsvollen Christenmenge.
Mein Tipp: das Caffè Pedrocchi, das 1831 eröffnet, im Zweiten Weltkrieg zerstört, aber originalgetreu wieder aufgebaut wurde. Mit den neoklassizistischen Elementen und dem großflächig verwendeten Marmor gleicht es einem Tempel. Der grüne Salon ist den Studenten vorbehalten, die sich dort so lange aufhalten können, wie sie wollten – daher auch der liebevolle Spitzname “Wartesaal”.
Warst du auch schon in Abano, Montegrotto oder Padua? Und hat es dir in den Euganeischen Hügeln ähnlich gut gefallen wie mir? Wenn ja, dann schreibe mir doch einen Kommentar. Und wenn dir dieser Beitrag gefallen hat, dann teile ihn doch auf deinen sozialen Netzwerken.