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Marbåcka: Selma Lagerlöfs Heim in Värmland

Marbåcka, das Haus von Selma Lagerlöf in Sunne in der schwedischen Provinz Värmland

Es ist, als wäre die Herrin von Marbåcka nur mal kurz zum Einkaufen. Der schwere Schreibtisch, an dem sie so manchen Brief an Freunde und Bewunderer schrieb, ist aufgeräumt. Die Küche mit dem AGA-Herd – ein Geschenk des schwedischen Nobelpreisträgers Physik Gustaf Dalén und der ganze Stolz der Gebieterin – glänzt frisch geputzt. Im Salon hängen die Kleider und Hüte von Selma Lagerlöf. Die weiße Holzbank, wo die schwedische Schriftstellerin so manche Stunde ausruhte, steht an ihrem angestammten Platz vor dem Fenster, hinter dem sich Garten, Wiesen und Värmlands Felder erstrecken.

Marbåcka, die Zuflucht der Autorin, sieht aus wie die vornehme Version des schwedischen Volksheimes. Ein repräsentativer Landsitz, wo die erste Literaturnobelpreisträgerin lebte und schrieb. Ein gemütliches Heim, das auf Wunsch der Literatin als Minnesgård, als Gedenkstätte erhalten wurde.


Besuch in Marbacka: Die Gedächtnisstätte kann vom 17. Juni bis zum 27. August von 11 bis 16.30 Uhr besichtigt werden. Im Mai und September auch samstags und sonntags. Führungen in der Hochsaison gibt es um 11, 12, 13, 14 und 15 Uhr. Erwachsene zahlen 135 schwedische Kronen, Kinder von fünf bis 15 Jahren 75 schwedische Kronen. Das Familienticket (2 Erwachsene + 2 Kinder) schlägt mit 420 schwedischen Kronen zu Buche.


Marbåcka, das Haus von Selma Lagerlöf in Sunne in der schwedischen Provinz Värmland
Wo Selma Lagerlöf geboren wurde und starb: das Gut Marbåcka

Marbåcka: Inbegriff von Sicherheit und Ordnung

Was Marbåcka ihr bedeutete, hat die berühmte Schwedin immer wieder beschrieben – beispielsweise in ihren Memoiren “Erinnerungen”. Im väterlichen Gut unweit des Örtchens Sunne, das für die Schriftstellerin ein Inbegriff von Sicherheit und Ordnung war, wurde sie 1858 als Zweitjüngste von sechs Geschwistern gestorben; hier starb die große Erzählerin, die Realistin und Utopistin gleichermaßen war, die sich manchmal in irrationale Ideen verrannte, das Ziel einer besseren Welt aber nie aus den Augen verlor.

In dem Herrenhaus, wo sie als Kind gebannt den Sagen und Märchen ihrer värmländischen Heimat lauschte und die Hausangestellten von Trollen und Geistern reden hörte, stieß sie auf die Themen, die sie in ihren späteren Werke verarbeitete: auf die Alten, “die in kleinen, grauen Hütten am Waldessaum saßen“, auf die bleichen hohläugigen Mönche und Nonnen, auf die „heimatlosen Kavaliere“, die durch die Gegend vagabundierten und ihr Geld in Wirtshäusern versoffen.

Marbåcka, das Haus von Selma Lagerlöf in Sunne in der schwedischen Provinz Värmland

Marbåcka, das Haus von Selma Lagerlöf in Sunne in der schwedischen Provinz Värmland
…das Cafe in Marbåcka, dem Haus von Selma Lagerlöf in Sunne

Wenn sie dem grünen Schreibsalon den Rücken kehrte, wo sich die geschriebenen Werke von Dichtern und Denkern bis an die Decke stapeln, griff sie gern selbst zum Spaten: Die Heimatverbundene setzte alles daran, den Erhalt des Bauernhofes und damit die Existenz von drei Dutzend Mitarbeitern zu sichern.

Marbåcka, das Haus von Selma Lagerlöf in Sunne in der schwedischen Provinz Värmland
… im Garten von Marbåcka

Marbåcka: ein Gut mitten in der Einsamkeit Värmlands

Was der Verlust der Heimat bedeutet, kennt sie aus eigener schmerzlicher Erfahrung. Vater Erik Gustav, ein ehemaliger Leutnant, ist eher dem Trunk und hochfliegenden Plänen statt stetigem Arbeitseinsatz zugeneigt. Deshalb muss das heruntergewirtschaftete Marbåcka verkauft werden.

Als Tochter Selma, die den notorischen Trunkenbold wohl als Vorbild für ihren Roman “Gösta Berling” wählt, die ersten schriftstellerischen Erfolge verzeichnet und den Nobelpreis einheimst, kauft sie das Haus samt umliegender Ländereien 1909 zurück.

Wandern in der schwedischen Provinz Värmland
Rund um Marbåcka gibt es etliche Wanderwege, die sich auch mit dem Leben von Selma Lagerlöf befassen.

In den folgenden Jahren lässt die Besitzerin das kleine rote Holzhaus ihrer Kindheit in ein feudales, weiß verputztes Gebäude umbauen – ein idealer Ort zum Schreiben, mitten in der Einsamkeit Värmlands.

In Wirklichkeit ist der stattliche „herrgård“, der Herrenhof, wohl eher ein “Frauenhof”, denn auf Mårbacka hat nur eine das Sagen – die Schriftstellerin. Eine Ehe geht die Sozialreformerin, Frauenrechtlerin und Pazifistin nicht ein. Stattdessen gibt es zwei Freundinnen in ihrem Leben, mit denen sie regelmäßig auf Reisen geht.

Marbåcka, das Haus von Selma Lagerlöf in Sunne in der schwedischen Provinz Värmland
Nils Holgersson, die berühmteste Figur von Selma Lagerelöf, wacht über das Gut der Schriftstellerin.

Marbåcka: wo Nils Holgersson wacht

Ihre wohl berühmteste Figur bewacht den Weg zur Villa, die von Obstgärten, Blumenrabatten und einem Teich umgeben ist: Auf ihm liefen die kleine Selma und ihre Geschwister an kalten Wintertagen Schlittschuh.

Seine Mütze hat der freche, kleine Nichtsnutz, der Tiere quält und zur Strafe in einen Wichtel verwandelt wird, tief in die Stirn gezogen; hinter ihm thront der schneeweiße zahme Gänserich Martin, auf dessen Rücken der verzauberte Bauernjunge Schwedens Landschaften entdecken und sich in einen besseren Menschen verwandeln wird.

Nils Holgersson ist sicherlich das weltweit bekannteste Werk von Selma Lagerlöf

erzählt die Führerin, die regelmäßig Gruppen durch Mårbacka führt. Niemand außerhalb Schwedens werde sich für das Buch interessieren, habe die Autorin einst in einem Brief geschrieben.

Eine Gedenkstätte für Selma Lagerlöf

Doch die “wunderbare Reise” – ursprünglich ein Lehrbuch für den Erdkundeunterricht, das schwedischen Schülern die Natur und Kultur ihres Landes nahebringen sollte – brachte ihr Weltruhm ein und wurde in über 40 Sprachen übersetzt.

“Schweden von oben” zu beschreiben, war ein brillanter Trick der Bestsellerautorin, die auch in “echt” in der Bibliothek zu hören ist. Möglich macht es eine Aufnahme aus dem Jahr 1937, als das Herrenhaus schon eine Pilgerstätte für Lagerlöf-Fans war und regelmäßig Bewunderer an die Tür der alten Dame klopften.

Wenn ich in meinem Leben sonst nichts erreicht habe, so habe ich wenigstens Touristen nach Värmland gebracht

scherzte das Mitglied der Schwedischen Akademie. Dass die Mutter der Wildgänse den frühen Tourismus „beflügelte“, war in der Tat ein erfreulicher Nebeneffekt für die arme Region Värmland. Besucher ziehen bis heute in Scharen auf das Gut, das zu den meistbesuchten Sehenswürdigkeiten des skandinavischen Landes zählt.

Marbåcka, das Haus von Selma Lagerlöf in Sunne in der schwedischen Provinz Värmland
Die Ställe und Speicher von Marbåcka. Die Schriftstellerin griff gelegentlich selbst zum Spaten.

Värmland: Paradies für Outdoor-Enthusiasten

Die reizvolle Region, die an Norwegen und Dalarna grenzt, steht für das ländliche Schweden: für falunrote Gehöfte inmitten blühender Wiesen, für tiefe Wälder, nicht überall mehr urwüchsig, aber noch immer endlos, voll üppiger Flora und Fauna, für ganz viel Wasser, das selbst in heißen Sommern noch immer erfrischend ist.

Värmland ist ein Paradies für Outdoor-Enthusiasten. Zehntausend Seen glitzern im nordischen Licht. Wilde Flüsse schlängeln sich durch den Landstrich, darunter der Klarälven, wo Naturfans unter fachmännischer Anleitung lernen können, wie man ein eigenes Floß baut. In den endlosen Wäldern fühlen sich Bären und Wölfe wohl. In Gruben wie der ehemaligen Silbermine Hornkullen, wo vermutlich schon im frühen Mittelalter das begehrte Edelmetall gefördert wurde, wird die reiche Bergbaugeschichte lebendig.

Der Fryken oder Fryken-See ist ein See im Värmland in Schweden. Der schmale, langgezogene See erstreckt sich in Nord-Süd-Richtung und besteht aus drei miteinander verbundenen Seen

Impressionen aus der schwedischen Provinz Värmland
Der Fryken liegt nicht weit von Selma Lagerlöfs Heim entfernt. Das langgezogene Gewässer besteht aus drei miteinander verbundenen Seen.

Värmland: von Kanutouren und Wanderungen

Einsamkeit ist hier garantiert, denn gerade einmal 14 Einwohner leben pro Quadratkilometer zwischen den Ausläufern des Kölen-Gebirges im Norden und Karlstad am Vänern, in den der Bodensee gut zehnmal reinpassen würde.

Am besten lässt sich das Land der Seen und Wälder bei einer Kanutour oder einer Wanderung erkunden. Der „Värmlandsleder“ besteht aus 21 ausgeschilderten Qualitätswegen unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade, die sich für Tagestouren eignen. 2016 wurde zudem der 100 Kilometer lange Fernwanderweg Fryksdalsleden eingeweiht, der von Kil über Sunne nach Torsby führt. In Wirklichkeit ist die Route mit ihren unglaublich schönen Panoramablicken uralt, denn hier verliefen im Mittelalter bedeutende Handels- und Pilgerwege.

die Kirche von Sunne in der schwedischen Provinz Värmland
die Kirche von Sunne…

Värmland: Rendezvouz mit dem Elch

Das schwedische Jedermannsrecht erlaubt es, ein bis zwei Nächte in freier Natur zu zelten. Wer einen Standort nahe eines Sees wählt, womöglich noch mit sumpfigen Uferzonen – dessen Chancen stehen nicht schlecht, im sanften Abendlicht einen Elch mit ausladendem Geweih zu entdecken: Immerhin leben 300.000 bis 400.000 Paarhufer in Europas viertgrößtem Land.

Manchmal trifft man sogar beim Bad im See auf einen der Einzelgänger, die hervorragende Schwimmer und Taucher sind. An Land suchen die majestätischen Tiere gern frei geschlagene Flächen auf, auf denen fetter Klee wächst.

Begegnung mit dem Herrscher des Waldes - zu erleben in einem der Elchparks Smålands.
Begegnung mit dem Herrscher des Waldes – zu erleben in einem Elchpark

Wenn all die Tipps nichts nutzen, den größten Vertreter der Familie Hirsch in freier Wildbahn zu sichten, dem bleibt immer noch der Besuch eines Elchparks. Im Moose-Park von Ekshärad locken frisches Birkengrün und ein Eimer voller Kartoffeln den “König des Waldes” und sein Gefolge so nah heran, dass man buchstäblich mit ihnen knutschen kann.


Elchpark in Ekshärad: Elchtouren werden rund um das Jahr angeboren, von September bis Mai allerdings nur sonntags und mittwochs. Am einfachsten ist es, die Touren über das Internet zu buchen. Erwachsene zahlen 200 schwedische Kronen, Kinder von fünf bis 14 Jahre 100 schwedische Kronen.


der Skulpturenpark Rottneros in der schwedischen Provin Värmland
Der Eingang zum Skulpturenpark Rottneros

Rottneros: die Vorlage für Selmas Buch “Gösta Berling”

“Bedenke, ihr habt ein großes Land, da könntet ihr uns armen Tieren sehr wohl ein paar kahle Schären und einige sumpfige Seen und Moore und einige öde Felsen und entlegene Wälder überlassen, wo wir in Frieden leben könnten! All die Jahre, die ich gelebt habe, bin ich gejagt und verfolgt gewesen. Es wäre herrlich, zu wissen, daß es auch für einen Vogel, wie ich es bin, eine Freistatt gäbe”, sagt Akka von Kebnekaise, die Leitgans der Wildgänseschar, zu dem kleinen Nils.

Ihre Artgenossen rasten zu Hunderten in der Talaue hinter Marbåcka und flattern bei Störung unter lautstarkem Geschnatter im Formationsflug davon.

Värmland war eine wichtige Inspirationsquelle für Selma Lagerlöf

erzählt die Führerin. Im nahegelegenen Rottneros, einen einzigartigen Skulpturenpark in Sunne, fand sie die Vorlage für das fiktive Gut Ekeby in ihrem Roman “Gösta Berling”, wo ehemalige Offiziere und verarmte Adlige ihre Tage mit Liebesabenteuern, Musizieren, Kartenspielen und ähnlichen Vergnügungen verbringen.

Es war Svante Påhlson, ein Visionär, der in den 1930er Jahren den verwunschenen Park anlegen und ein prächtiges Herrenhaus bauen ließ – so wie er sich die Villa aus dem Roman vorstellte. Das alte Herrenhaus war bei einem Feuer anlässlich des Luciafestes im Jahr 1929 zerstört worden.

der Skulpturenpark Rottneros in der schwedischen Provin Värmland
Von einem Roman inspiriert: So stellte sich der Erbauer das fiktive Gut Ekeby in Selma Lagerlöfs Werk “Gösta Berling” vor.   Foto:  Bengt Oberger, CC BY 3.0  via Wikimedia Commons

Barocke Elemente sowie ein englischer Landschaftspark reihen sich an den beiden Sichtachsen auf. Hunderte Skulpturen und Reliefs bekannter nordischer Bildhauer ergänzen das Konstrukt aus Natur, Architektur und Park. Nur eine Künstlerin ist in der Skulpturensammlung vertreten: Astri Bergman-Taube schuf die Büste von Selma Lagerlöf.


Rottnerospark: Der Park hat ab dem 27. Mai bis zum 3. September geöffnet, in der Hochsaison täglich von 10 bis 17 Uhr. Das Ticket für Erwachsene kostet 120 schwedische Kronen, Kinder von vier bis 15 Jahre zahlen 45 schwedische Kronen. Das Familienticket für zwei Erwachsene und zwei Kinder kostet 295 schwedische Kronen.


Wie kommst du am schnellsten ins schwedische Värmland…

Wer mit dem Auto unterwegs ist, kann die Nachtfähre von Kiel nach Göteborg nehmen, bis Karlstad sind es etwa 250 Kilometer. Wer die Fähre nach Trelleborg oder Malmö nimmt, muss mit rund sechs Stunden Fahrt nach Karlstad rechnen. Von Oslo gibt es eine gute Bahnverbindung Richtung Karlstad. Mit den Zügen der schwedischen Staatsbahn kommst du aus Stockholm in knapp drei Stunden direkt nach Värmland.

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