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Oslo: die kultur-verrückte Fjord-City

die Oper von Oslo, Norwegen

Das Continental mit dem Theatercaféen ist eine Institution in Oslo. Morgens treffen sich hier Banker und Mitarbeiter des benachbarten Parlaments zu einem späten Frühstück mit Eggs Benedict und Napoleonskake – einer cremigen Kuchenkreation mit Suchtfaktor. Abends schlürfen Kulturbeflissene unter gewaltigen Lüstern ein Glas Prosecco – zu Preisen, zu denen man andernorts in Europa die halbe Flasche bekommen würde.

Das Theatercaféen im Hotel Continental

Oslos erste Adresse: das Hotel Continental

Die Nähe zum Theater auf der gegenüberliegenden Straßenseite, wo Hendrik Ibsen einst wirkte, hat der Fünf-Sterne-Herberge sicherlich nicht geschadet. Seit über 100 Jahren zählt sie zu den ersten Adressen der norwegischen Hauptstadt. Davon zeugt die Galerie im Foyer mit den handsignierten Porträts der prominenten Gäste, die sich in der Luxusherberge mit ihren 150 eleganten Zimmern einquartierten. Besonders geschätzt: die 240 Quadratmeter große „Continental Suite“ über zwei Stockwerke.

Prince, Annie Lennox und Bono von U2 genossen die Annehmlichkeiten des Hauses. Tina Turner, Robbie Williams und Elton John machten ihre Aufwartung. Renée Zellweger, Meryl Streep und Justin Bieber ließen sich hier verwöhnen, ebenso wie Normalsterbliche, die in steigender Zahl zu einem Städtetrip nach Oslo kommen.

Die Galerie mit prominenten Gästen im Foyer des “Theatercaféen”

Oslo: vom hässlichen Dorf zur Kulturmetropole

Oslo, am Ende des gleichnamigen, 120 Kilometer langen Fjords, galt lange als hässliches Entlein unter den skandinavischen Metropolen. Nicht so lebendig und weltoffen wie Schwedens Hauptstadt Stockholm, das schon zu Zeiten der Wasa-Könige eine Macht im Ostseeraum war; schon gar nicht so charmant und gleichzeitig hyggelig wie Kopenhagen, das mit Sehenswürdigkeiten nur so punkten kann.

Zwar hat auch Norwegens Hauptstadt ein königliches Schloss vorzuweisen, das in zartem Gelb erstrahlt und am Ende der leicht aufsteigenden Karl-Johan-Gate thront. Doch verglichen mit dem Stockholmer Pendant, das mit seinen 400 Räumen zu den größten Schlössern Europas zählt, kommt das Heim König Haralds eher bescheiden daher.

Das königliche Schloss wurde Mitte des 19. Jahrhunderts gebaut.

Ohnehin war Bescheidenheit lange ein Charakteristikum der 600 000-Einwohnerstadt.

Ein paar klassizistische Gebäude im Zentrum

• die strategisch günstig gelegene Festung Akershus aus dem Mittelalter, in deren Kerker einst Straftäter gefangen gehalten wurden

• das monumentale Rathaus mit zwei Türmen, dessen äußeres Erscheinungsbild zumindest gewöhnungsbedürftig ist

• sowie der Frogner Park mit den naturalistischen Skulpturen und Statuen des Bildhauers Gustav Vigeland – die Liste der Must-See war schnell abgehakt.

Blick auf das Storting, das Parlamentsgebäude.

Oslo: Durchgangsstation auf dem Weg zu den Fjorden

Für viele Reisende war Oslo nur Durchgangsstation auf ihrem Weg zu den weltberühmten Fjorden an der Westküste oder zum Nordkap. Dabei ist das keineswegs der nördlichste Punkt des europäischen Kontinents – diese Ehre gebührt dem Felsen Kinnarodden auf der Nordkinnhalbinsel. Selbst die Einheimischen schmähten ihre Heimatstadt als „größtes Dorf der Welt“. Von dem ist es immerhin nicht weit in endlose Natur.

Vom hässlichen Entlein zum stolzen Schwan

Dass sich das Entlein in den vergangenen zwei, drei Jahrzehnten in einen stolzen Schwan verwandelt hat und sich zum Mekka zeitgenössischen Bauens mauserte, ist vor allem einem Umstand zu verdanken: dem Ölreichtum und den damit verbundenen zuverlässig sprudelnden Einnahmequellen.

Wer in den 1980er Jahren mit der Fähre nach Oslo reiste, dessen Blick fiel auf hässliche Industriekomplexe, Schiffswerften und Docks.

Selbst der Platz südlich des Rathauses, mit dessen Bau Anfang der 1930er Jahre begonnen wurde und das Schauplatz der alljährlichen Verleihung des Friedensnobelpreises ist, machte nicht wirklich Lust aufs Verweilen: Straßen und Eisenbahngleise durchschnitten den 150 Meter langen und bis zu 40 Meter breiten Platz, der von Bronze-Skulpturen des Bildhauers Emil Lie gesäumt wird.

Das Rathaus von Oslo ist Schauplatz der jährlichen Verleihung des Friedensnobelpreises.

Ein neuer Straßentunnel schuf die Möglichkeit, den Platz ans Wasser anzubinden. Im ehemaligen Westbahnhof mit seiner historischen Fassade zog ein Dokumentationszentrum zum Friedensnobelpreis ein.

Das Nationalmuseum: Kulturinstitution der Superlative

Dahinter versteckt sich dezent das Nationalmuseum, dessen Fassade aus grau-grünlichem Gneis anfangs nicht jedermann gefiel. Der rechteckige Bau, der sich an langen Wintertagen in einen strahlenden Lichtkörper verwandelt, ist eine Kulturinstitution der Superlative.

Das größte Kunstmuseum Nordeuropas mit seinen fast 55 000 Quadratmetern Ausstellungsfläche beherbergt drei verschiedene Museen: die Nationalgalerie, das Kunstgewerbemuseum sowie die Galerie für zeitgenössische Kunst.

Die Nähe zum Meer ist bestimmend für das Leben in Oslo.

Das Konzept der Fjord-City

Die Stadt mit dem Meer zu vereinen, lautet das ambitionierte Konzept des Projekts Fjord City. Es sieht die Umwidmung von hässlichen Industriebrachen auf fast zehn Kilometern Länge vor.

Schiffswerften und Docks wurden in rasantem Tempo dem Erdboden gleichgemacht. Ein Stadtviertel nach dem anderen, alle direkt am Wasser, wurden aus dem Boden gestampft.
Manch ein Oslo-Besucher, der Norwegens Hauptstadt regelmäßig einen Besuch abstattet, erkennt die Stadt nicht wieder, angesichts der architektonischen Leuchttürme und der modernen Urbanität mit extrem hoher Restaurantdichte und der Gentrifizierung ganzer Stadtviertel.

Die Anleger für Ausflugsboote direkt beim Rathaus

Einst war Grünerløkka ein typisches Arbeiterquartier mit beengten Wohnverhältnissen und Toiletten im Keller – kein Vergnügen bei Minustemperaturen. Heute ist dort die Latte Macchiato-Fraktion daheim, die sich zum Plausch in coolen Cafés und beim Nobel-Italiener trifft.

Die Oper: fast so ikonisch wie Sydney

Herzstück der Fjord City ist ohne Zweifel die Oper. Wie ein Gebilde aus geschichteten Eisschollen treibt sie scheinbar schwerelos durch die Bjørvika-Bucht. Rund 550 Millionen Euro ließ sich der norwegische Staat den weißen Traum kosten. Dessen begehbares Dach bietet einen atemberaubenden Blick über Stadt, Fjord und die vorgelagerten Inseln.

38 000 Platten aus feinstem Carrara-Marmor bilden die Hülle des Musentempels. Deren Oberflächen sind mal glatt wie ein Kinderpopo, mal geriffelt wie Uromas Waschbrett. Den weißen Stein draußen kontrastierten die Architekten drinnen mit warmem, dunklem Holz.

Für den rampenförmigen Aufgang, die Galerie sowie das Auditorium musste es mehrjährig abgelagerte deutsche Eiche sein. Die wurde zuvor mit Ammoniak behandelt, um dem Holz einen leichten Glanz zu verleihen. Im langen Winter wird das Areal vor dem Haupteingang übrigens mittels einer Fußbodenheizung erwärmt, weil Streusalz den italienischen Marmor angreifen würde.

Die Domkirche ist das größte Gotteshaus von Oslo.

Das Munch-Museum: Heimat des “Schreis”

So stolz die Osloer auf den tönenden Eisberg sind, der fast so stadtbildprägend wie die Oper von Sydney ist, so sehr fremdeln sie mit dem Munch-Museum – mit seinen 13 Geschossen ein wahres Ungetüm aus Glas und perforierten Aluminiumplatten.

Dessen oberer Teil ist aus dem Lot gekippt – gerade so, als wolle er dem benachbarten Opernhaus Referenz erweisen. Im Innern bringen Rolltreppen und Aufzüge den Kunstbeflissenen in eine Welt aus grauen Böden, grauen Wänden und grauen Decken, mit Glasbalustraden und Stahlverkleidungen, die das kalte, klinisch reine Ambiente vervollständigen.

Das Gebäude des Munch-Museums ist ab dem neunten Stockwerk um 20 Grad geneigt ist. Foto: VisitOslo/Fara Mohri

Ein Nachlass aus 26 000 Werken

Der Star des Hauses ist nicht die gewöhnungsbedürftige Architektur, sondern Edvard Munch. Der Workaholic hinterließ seiner Heimatstadt bei seinem Tod 1944 über 26 000 Gemälde, Zeichnungen, Drucke, Skulpturen und Fotografien.

Lange Zeit wusste die Stadt wenig mit dem Nachlass anzufangen. Das Museum in Tøyen war viel zu klein, obendrein kein Hochsicherheitstrakt – wie der Diebstahl einer Version des „Schreis“ und der „Madonna“ zeigte.

Im neuen Haus gibt es viermal soviel Platz für das Werk von Norwegens berühmtestem Künstler: angefangen bei den monumentalen Gemälden – die eigens durch ein Loch in der Fassade ins Haus gewuppt werden mussten – über seine Selfie-Experimente nach dem Kauf einer Kodak-Kamera bis zur Schatzkammer mit dem berühmten „Schrei“.

Das Museum besitzt gleich drei Versionen des verzehrten Gesichts, das als Vorlage für das Schrei-Emoji diente. Aber nur eine ist jeweils sichtbar. Im Souvenirladen ist das Motiv der Renner schlechthin. Es schmückt Taschen, Regenschirme und Brillenetuis, dekoriert Füllfederhalter und Seidenschals. Zeitweise gab es sogar einen limitierten Schrei-Ring für schlappe 18 000 Euro. Doch der ist längst vergriffen.

Atemberaubende Lage: Blick vom Holmenkollen auf Oslo und die vorgelagerten Inseln. Foto: VisitOslo/Fara Mohri

Oslo: 30 Minuten bis in die Natur

Oslo verfügt über ein Privileg, um das sie viele europäische Hauptstädte beneiden: menschenleere Wildnis vor der Haustür. Wer dem Stadtgewimmel entfliehen möchte, steigt beim Rathaus in die T-Bane und lässt sich in weniger als 30 Minuten zum Holmenkollen oder nach Frognerseteren kutschieren.

Wie ein Amphitheater ragt die bis zu 400 Meter hohe Hügelkette hinter der Stadt auf: eine Oase der Ruhe, wo je nach Jahreszeit Wanderwege und Loipen auf Frischluftfanatiker warten. Die Aussicht ist schlich überwältigend – dafür müssen Sportfans nicht einmal den Turm der berühmten Holmenkollen-Skisprungschanze erklimmen.

Von Oslo geht es per Fähren auf die zahlreichen Inseln im Fjord.

Im Norden, Osten und Westen fällt der Blick auf grüne Wälder und blaue Seen; im Süden breitet sich der verästelte Oslofjord aus, der sich bis zum Leuchtturm Færder Fyr hinzieht. Unzählige Inseln, mit schneeweißen Holzhäuschen gesprenkelt, liegen nur einen Steinwurf von der Innenstadt entfernt und sind bequem mit kleinen Fähren zu erreichen. An Wochenenden, vor allem an sonnigen Tagen sind sie das Ziel der Städter. Der Fjord ist Lebensader der Metropole und gleichzeitig Spielplatz für Segler, Angler und Badefans.

Oslos grüne Oase: Vigelands Skulpturenpark

Wer vorbei am Osloer Schloss Richtung Westen spaziert, landet in einer der schönsten Oasen der Stadt, dem 80 Hektar großen Vigelandpark, dem größten Park der Welt für einen einzigen Künstler.

Die 200 Skulpturen in Bronze, Granit und Schmiedeeisen des Bildhauers Gustav Vigeland sind eine einzige Ode an das Leben, eine Komposition menschlicher Emotionen.

Der Vigeland Skulpturenpark ist das Lebenswerk des Bildhauers Gustav Vigeland, mit mehr als 200 Skulpturen in Bronze, Granit und Schmiedeeisen. Foto: VisitOslo/ Fara Mohri

Vigeland ging es in erster Linie darum, menschliche Beziehungen abzubilden. Seine vorwiegend nackten Männer und Frauen jeglichen Alters posieren buchstäblich vor dem Betrachter. Einige tanzen, spielen und turnen, andere grämen sich. Etliche Paare stehen eng beieinander. Ihre Zuneigung und Geborgenheit wirkt selbst in Stein gemeißelt noch real.

Am bekanntesten ist der kleinen Trotzkopf, der voller Wut aufstampft. Am eindrucksvollsten ist der 17 Meter hohe Monolith. Das massive Monument wurde aus einem einzigen Granitblock gehauen und wiegt mehrere hundert Tonnen. Vigeland hat 121 menschliche Figuren aus dem Stein herausgearbeitet, die ineinander verwoben Richtung Himmel klettern.

20 Jahre lang hat der Künstler an seinem Gesamtwerk gearbeitet, bis er im Jahr 1943 verstarb. Vigeland entwarf zudem den gesamten Park, einschließlich der Gartenarchitektur mit alten, teils exotischen Bäumen wie Ginkgo und Mammutbaum, Brücken, Brunnen und Umzäunung.

Saunieren mit Blick auf die Oper

Wer nach soviel Sightseeing ein wenig Entspannung braucht, findet sie direkt beim Opernhaus. Mitten in der Innenstadt hat Oslos Badstuforening, der Saunabund, schwimmende Saunadörfer installiert. Hier lässt sich herrlich schwitzen mit Blick auf die Schokoladenseite der Hauptstadt; hier kommt man im blubbernden Wasser des Zubers zur Ruhe. Und zum Abkühlen springt der Saunafreund einfach in den Oslofjord.

Und zum Abschluss ein paar Impressionen aus Oslo

Anreise: Per Flieger geht es in knapp zwei Stunden von Frankfurt nach Oslo. Sehr viel schöner ist allerdings die 20-stündige Fahrt mit der Fähre von Kiel in die norwegische Hauptstadt mit den Fähren von Color Line. Die mehrstündige Fahrt durch den Oslofjord ist atemberaubend schön. Die Reederei bietet auch Mini-Kreuzfahrten mit Landgang in Oslo an.

Übernachten: Oslo ist ein teures Pflaster. Wer nur ein schmales Budget zur Verfügung hat, kann Pensionen, Jugend- und Familienherbergen oder Hütten auf Campingplätzen buchen.

Wenn es etwas mehr sein soll: Das Hotel Continental ist das einzige norwegische Mitglied von The Leading Hotels of the World, einem Kollektiv von Luxushotels. Das historische Grand Hotel ist ein Wahrzeichen der Stadt. Das Radisson Blu Plaza ist mit 37 Stockwerken das zweithöchste Hotel Nordeuropas.

Extratipp
Der Oslo Pass bietet freien Eintritt zu über 30 Museen und Sehenswürdigkeiten und erlaubt die kostenfreie Nutzung von Bussen und Bahnen. Er kostet rund 50 Euro für einen Tag. Der Zwei-Tages-Pass kostet 68 Euro, für 72 Stunden zahlt man rund 80 Euro.

Falls du weiter nach Schweden fahren möchtest: Hier findest du viele Tipps.

Roswitha:
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