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Von Timaru in die neuseeländischen Alpen

3697 Seemeilen am Ende der Welt: Drei Wochen dauert unsere Seereise mit der „Vasco da Gama“ vom australischen Sydney ins neuseeländische Auckland. Die Hälfte der Reise haben wir hinter uns. Nachdem wir uns in Dunedin an Schottland erinnert fühlen, wollen wir von Timaru aus die neuseeländischen Alpen ansteuern.

Timaru: Pinguine und Maori-Kunst

In Timaru, auf halbem Wege zwischen Christchurch und Dunedin, wollen sich keine sommerlichen Gefühle einstellen. Es nieselt erbärmlich. Die Temperaturen sind kaum zweistellig und zu allem Überfluss pfeift ein kalter Wind durch die Stafford Street.

Caroline Bay Beach, von dem die Einheimischen in höchsten Tönen schwärmen und der zur Weihnachtszeit hoffnungslos überfüllt ist, liegt verlassen da. Hoffnungen, die nur 40 Zentimeter großen Zwergpinguine zu sehen, die die Neuseeländer “little blue penguins” nennen, haben wir bei diesem Schietwetter nicht.

Für kurze Zeit liebäugeln wir damit, ins mollig-warme Maori Rock Art Center zu flüchten, eine der größten Sammlungen von Felszeichnungen.

Der ideale Ausgangspunkt, um die neuseeländischen Alpen zu entdecken: die Hafenstadt Timaru

Doch eigentlich wollen wir ja Land und Leute sehen. Wir wollen den neuseeländischen Alpen mit ihren atemberaubend hohen Berggipfeln, den Gletschern und Schneefeldern unter einem atemberaubenden Sternenhimmel näher kommen.

Wenn wir den Mount Cook mit eigenen Augen sehen möchten – Neuseelands höchsten Berg, an dem Sir Edmund Hillary für die Besteigung des Mount Everest trainierte -, ist Timaru, die etwas langweilige Hafenstadt mit einem der größten Fischereihäfen des Landes, der ideale Ausgangspunkt.

Über die Mackenzie Ebene zum Lake Tekapo

Ein passender Touroperator ist schnell gefunden. Normalerweise organisiert Robin von Kiwibiketours Tagestouren für Pedalritter, doch wenn Kreuzfahrtschiffe in Timaru anlegen, bietet er mehrstündige Fahrten über die Mackenzie Ebene zum Lake Tekapo an.

Der funkelt so unverschämt türkis, dass man seinen Augen nicht trauen will. Die Kombination aus lang gestrecktem See und majestätischer Bergkulisse, die sich gestochen scharf auf dem glasklaren Wasser spiegelt, zählt sicherlich zu den schönsten Ansichten des Pazifikstaates.

Die Mackenzie-Ebene ist ein menschenleerer Landstrich auf dem Weg von Timaru zum Lake Tekapo.

Der Mackenzie Pass: Reminiszenz an einen Outlaw

Robin behält Recht: Im Landesinnern sei das Wetter viel besser und für die Mittagszeit sei strahlender Sonnenschein angesagt, verspricht er uns bei der Abfahrt.

Der Weg auf dem Highway Nr. 8 führt durch schier endloses Farmland, vorbei an verschlafenen Ortschaften, durch menschenleeres Terrain, wo Millionen Schafe auf saftig-grünen Wiesen weiden. “Zur Hoch-Zeit gab es in Neuseeland 72 Millionen Schafe”, erzählt Robin. Heute sind es noch etwa 20 Millionen.

Der kürzeste Weg zum Lake Tekapo mit der gleichnamigen Ortschaft an seinem Südende führt über gut ausgebaute Highways. Doch Robin bevorzugt die Schotterpiste über den Mackenzie Pass, der nach einem der berühmtesten Outlaws des ganzen Landes benannt wurde.

Eindrücke von den Mackenzie Plains

Eigentlich war James Mackenzie, Schotte von Geburt, ein simpler Viehdieb, der sich mit den geklauten Tieren in dem abgelegenen Hochland versteckte. 1855 soll er unglaubliche 1000 Viecher auf einen Schlag geklaut haben.

Volkes Seele störte sich wenig an dieser Verbrecherkarriere. Sie stilisierten das schwere Kaliber kurzerhand zu einer Art Robin Hood hoch. Das Ende der Geschichte: Mackenzie gelang die Flucht und verschwand auf Nimmerwiedersehen in jenem menschenleeren Landstrich, der heute seinen Namen trägt.

Das Mackenzie Memorial mitten im Nirgendwo erinnert an die Outlaw-Legende. Sie schaffte es sogar in die reichlich kitschige Weiße-Wolke-Saga von Sarah Lark.

Tierische Begegnung auf dem Weg zum Lake Tekapo

Im Niemansland der Mackenzie-Ebene

Der Ritt über die Schotterpiste zahlt sich aus, nicht nur wegen den Begegnungen mit Neuseelands mannigfacher Tierwelt. Der Landstrich, fernab der Zivilisation, ist einfach zum Niederknien schön.

Der Blick streift über weites Land unter einem strahlend blauen Himmel. Goldgelbes Tussockgras und die stacheligen Matagouri-Sträucher, denen die ersten europäischen Siedler mit Feuer zu Leibe rückten, sind die einzigen Farbtupfer auf diesem von Erdtönen dominierten Plateau.

Am Horizont zeichnet sich die Silhouette der Südalpen ab, überragt vom 3754 Meter hohen Mount Cook. Die Schneefelder des Aoraki glitzern in der Sonne.

Einer Maori-Legende nach hatte Himmelsvater Rakinui vier Söhne, deren Kanu an einem Riff kenterte. Als sich das Quartett retten wollte, wurde es vom eisigen Südwind in Felsen verwandelt. Das Kanu wurde zu Neuseelands Südinsel und Aoraki und seine Brüder wurden zu den höchsten Gipfeln der Neuseeländischen Alpen.

Die Mackenzie-Ebene wird von den Südalpen begrenzt.

Der Lake Tekapo: ein touristischer Hotspot

So einsam das elliptisch geformte Mackenzie-Becken ist, so lebhaft, um nicht zu sagen touristisch ist der malerische Lake Tekapo mitten im Zentrum der Südinsel. Der gleichnamige Ort hat offiziell zwar nur 500 Einwohner, doch dazu gesellen sich täglich Heerscharen von Touristen, die per Bus, Wohnmobil oder Mietwagen anreisen.

Wenn wundert es, angesichts all der atemberaubenden Motive aus dem Bilderbuch. Eingerahmt von den schneebedeckten Gipfeln der neuseeländischen Alpen und den Bergen der Two Thumb Range glitzert ein stiller, langgezogener See in der Sonne. Seine türkise Farbe scheint nicht von dieser Welt zu sein.

Der Lake Tekapo ist ein Bilderbuchmotiv. Deshalb zählt er zu den Highlights einer Reise über die Südinsel.

Die verdankt der Lake Tekapo den zahlreichen Gletschern, die unablässig am Fels nagen. Das feine Mehl gelangt über das Schmelzwasser in den See, der für viele Besucher ein Synonym für Neuseelands landschaftlichen Reiz ist.

Heute wird das Wasser des aufgestauten Sees, ebenso wie der benachbarte Lake Pukaki, zur Stromerzeugung genutzt.

Beliebtes Fotomotiv: die Church of the Good Shepherd

Am Ufer steht eine der meistfotografierten Kirchen Neuseelands, die Church of the Good Shepherd. Die steinerne Kapelle für den guten Hirten, 1935 zum Andenken an frühe Siedler errichtet, ist außen, wie innen eher schlicht gehalten, mit weiß getünchten Wänden und einem schmucklosen Holzkreuz.

Doch dafür besitzt das kleine Gotteshaus das wohl ungewöhnlichste Altarbild der Welt. Genau genommen existiert keines. Stattdessen gibt ein riesiges Fenster den Blick auf das überwältigende Landschaftsgemälde frei.

die Kirche zum guten Hirten am Ufer des Lake Tekapo

 

Aussichtspunkt am Lake Tekapo: der Mount John

Hätten wir mehr Zeit, gäbe es nur ein Ziel: der Mount John, von dem sich die schönsten Blicke auf den See und die Berge bieten. Doch wir haben keine zwei, drei Stunden für den Summit Track, der am Mount John Observatory und dem Astro Café vorbeiführt.

Der abgelegene Landstrich gilt als eine der dunkelsten Regionen Neuseelands. Hier gibt es keine “Lichtverschmutzung”, nur stockdunklen Himmel.

An kaum einem anderen Ort der Welt lassen sich mit bloßem Auge so viele Sterne betrachten. Wer eine der nächtlichen Sternenbeobachtungstouren bucht, darf einen Blick durch eines der zahlreichen Teleskope werfen. Zwischen April und September gesellt sich die Aurora Australis dazu, das Pendant zu den Nordlichtern auf der Nordhalbkugel.

Ausblick über den Lake Tekapo zu den Bergen der Südalpen

An Nachmittag heißt es Abschied nehmen – von dem spiegelglatten See, den Bergspitzen, dem Meer aus Lupinen, die den Ufersaum in rosa, lila, weiß und gelb gehüllt haben. Für die Rückfahrt wählt Robin den direkten Weg. Die „Vasco da Gama“ wartet schon, bereit für die nächste Etappe auf unserer Seereise am Ende der Welt

Was du über Timaru wissen musst…

Timaru liegt an der Ostküste von Neuseelands Südinsel und ist die zweitgrößte Stadt der Region Canterbury. Die Hafenstadt ist ein beliebtes Ziel von Touristen, vor allem wegen der geschützten „Caroline Bay“ mit dem benachbarten kleinen Vergnügungspark und dem botanischen Garten.

Die größte Sehenswürdigkeit ist das Te Ana Māori Rock Art Centre in der George Street. Das Steinhaus wurde in den 1870er Jahren erbaut und konnte 1989 vor dem Abriss gerettet werden. Te Ana ist ein High-Tech-Museum, das dem Besucher das Gefühl vermittelt, einen Spaziergang durch Aotearoas erste Kunstgalerie zu machen. Es besteht die Möglichkeit, eigene Felskunstwerke anzufertigen oder einen Moa-Knochen zu halten. Im angeschlossenen Shop gibt es passende Souvenirs, vom Maori-Schmuck bis zu Kunstwerken.

Das Türkis des Lake Tekapo ist fast unwirklich

Was du über den Lake Tekapo wissen musst…

Der Lake Tekapo ist ein ehemaliger Gletschersee und nach seiner Aufstauung mit rund 95 Quadratkilometern der größte See der Region Canterbury. Er liegt im Zentrum der Südinsel, ziemlich genau zwischen Christchurch und Queenstown. Nach Christchurch sind es rund 280 Kilometer. Besonders schön ist die Fahrt durchs Inselinnere über die „Inland Scenic Route“.

Du musst nicht unbedingt mit dem Mietwagen unterweg sein, um an den Lake Tekapo zu kommen. Die Busse der Gesellschaft Intercity fahren mehrmals täglich in dreieinhalb Stunden von Christchurch nach Tekapo. Das einfache Ticket gibt es ab 35 Euro

Hohes Preisniveau

Die Region rund um den Gletschersee ist dünn besiedelt. Tekapo selbst ist der einzige Ort am gleichnamigen See und ziemlich touristisch. Hier gibt es Hotels, Restaurants, Touranbieter und Campingplätze. Entsprechend hoch sind die Preise, in einem Land, das ohnehin nicht ganz günstig ist.

Tekapo ist die ideale Ausgangsbasis für eine Wanderung durch den Mount Cook Nationalpark. Die Fahrt von Tekapo zum Mount Cook Village dauert etwa 80 Minuten. Dort starten zahlreiche Wanderwege, wie der Hooker Valley Track, der auch für Familien mit Kindern geeignet ist. Es führt durch zerklüftete Landschaften aus Eis und Fels, über Hängebrücken zu einem Gletschersee, von dem aus du an klaren Tagen einen fantastischen Blick auf den Mount Cook hast.

Bei der Recherche wurde ich von Nicko Cruises unterstützt. Meine journalistische Unabhängigkeit bewahre ich mir trotzdem, denn ich bekomme kein Honorar. Wenn meine Zeilen begeistert klingen, dann weil mir Schiff und Tour gefallen haben. Dies ist meine persönliche Einschätzung.

Wenn du wissen möchtest, wie es auf unserer Seereise von Sydney nach Auckland weitergeht, schau einfach hier vorbei. Und hier gibt es noch mehr Impressionen von der 20-tägigen Seereise mit der Vasco da Gama.

 

Roswitha:
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