Boris Beckers Arbeitsplatz ist deutlich größer als der geheiligte Rasen von Wimbledon. Stolze 300 Meter misst seine Werkstätte, und in der Breite bringt sie es locker auf 37 Meter. Was der 36-Jährige mit seinem berühmten Tennis spielenden Namensvetter aus Leimen gemein hat? Ehrgeiz, Willensstärke und Siegermentalität. Der Mann aus dem Ruhrpott, der mit seinem dunklen Rauschebart an einen richtigen Seebären erinnert, aber noch mehr an den Schauspieler Antoine Monot Jr. – den „Tech-Nick“ aus der Fernsehwerbung – kann ohne Zweifel als Senkrechtstarter auf der Brücke eines Kreuzfahrtschiffes bezeichnet werden. Sein Nautik-Studium absolvierte er im Sauseschritt; dann heuerte er als Offizier und Staff Kapitän bei der Kussmundflotte von „AIDA“ an, um im Jahr 2010 zum jüngsten Kapitän des Marktführers auf dem deutschsprachigen Kreuzfahrtmarkt aufzusteigen.
Jetzt hält er das neue Vorzeigeschiff der Reederei, die AIDAPerla, auf Kurs und gibt sich ganz anders als die TV-Traumschiffkapitäne: nämlich umgänglich, humorvoll und mit einem Hauch Ironie ausgestattet. Angesprochen auf das angeblich pleite gegangene Bobbele aus dem Badischen meint der echte Boris süffisant: „Hier gibt es immer was zu essen für meinen Namensvetter.“
Inhaltsverzeichnis
Futtern auf der AIDAperla
Recht hat er, dieser Knuddelbär in Kapitänsuniform, den ich mir so gar nicht bei schwülstigen Farewell-Partys mit einem Glas Schampus in der Hand vorstellen kann. Eine Kreuzfahrt auf einem Clubschiff wie der „AIDAPerla“ gleicht einem Großangriff auf die schlanke Taille – falls man überhaupt mit solch optischen Vorzügen gesegnet ist. Im Prinzip könnte sich der Passagier der Kussmundflotte rund um die Uhr durchfuttern, nachts notfalls noch eine Currywurst nachschieben – mit den passenden Soßen für Scharfmacher und Weicheier. Ob fette Burger, Pasta in allen Variationen, leckere Tapas im Schälchen oder gute deutsche Hausmannskost – zwölf Restaurants und drei Snack Bars warten auf hungrige Mäuler.
Nichts für schwache Nerven: der Skywalk
Wer der heißen Schlacht am kalten Buffet nichts abgewinnen kann, dem empfiehlt sich ein Abstecher zur Sushi Bar, ins Gourmet Restaurant „Rossini“ oder ins Buffalo. Dort wird – wie könnte es bei dem Namen auch anders sein – American Beef und American Bison aufgetischt. Wem das noch zu gewöhnlich ist: Auf der Speisekarte steht auch ein Rückensteak vom original japanischen Wagyu Beef. Drei bis vier Kilo nehmen Kreuzfahrtpassagiere in einer Woche im Schnitt zu – keine guten Aussichten beim anschließenden Blick in den Spiegel. Oder vielleicht doch? Der Skywalk auf Deck 15 ist zwar nichts für Menschen mit schwachen Nerven, weil unter der gläsernen Aussichtsplattform das Meer plätschert. Doch die verglaste Wand lässt selbst ein Schwergewicht schlank wie eine Gazelle erscheinen.
Freizeit an Bord
Bespaßung rund um die Uhr für kleine und große Passagiere: Auf diesen kurzen Nenner lässt sich das Bordprogramm von AIDAS „Perle“ bringen. Klar, ich könnte auch den Shuttle-Bus nach Palma de Mallorca nehmen, um in der Kathedrale um göttlichen Beistand zu flehen. In Barcelona über die Rambla schlendern und die Kreditkarte glühen lassen. In Ajaccio auf Korsika etwas für meine Bildung tun und den Spuren des kleinen, großen Napoleon Bonaparte folgen. Doch Faulenzer können auch gleich an Bord bleiben und es sich in der berühmten Hängematte gemütlich machen, die in den Balkonkabinen hängen.
Ein Pool unterm Foliensack
Oder er stürzt sich ins Freizeitangebot, um festzustellen, dass Urlaub ganz schön stressig sein kann. Während sich Frau Mama im Organic Spa einer Thalasso-Rasulzeremonie hingibt, powert sich der Göttergatte an Rudermaschine und Laufband aus, um anschließend in der Sauna zu verschwinden und den Blick aufs Meer zu genießen. Nicht nur Erwachsene haben die Qual der Wahl, auch die Kleinen – und von denen tummeln sich in Schulferienzeiten bis zu 1500 an Bord – müssen sich entscheiden. Im Klettergarten die eigene Angst überwinden oder doch lieber den Geschwindigkeitsrekord in der längsten Indoorrutsche auf einem Kreuzfahrtschiff brechen? Sich im Lazy River treiben lassen oder mit dem Heer engagierter Betreuer auf digitale Schnitzeljagd gehen.
Während die lieben Eltern im Kochstudio fleißig schnibbeln, braten und dekorieren, stürzt sich der Nachwuchs in den Pool unter dem Foliendach. Das verwandelt die „Perla“ in ein Ganzjahresschiff, weil unter dem transparenten Dom selbst an kalten Wintertagen Strandatmosphäre herrscht. Mein Tipp: Wer sich keines der Nobelquartiere mit exklusivem Zugang zum Patiodeck leisten kann, wo es zwei Stockwerke über der Brücke den schönsten Infinitypool des ganzen Schiffes gibt, kann auf den beheizten Pools auf dem Lanai-Deck aufs Meer schauen.
Feiern an Bord
Rea Garvey, der als Überraschungsgast bei der Tauffahrt selbst die älteren Semester zum Abrocken brachte – das gibt es auch bei AIDA nicht alle Tage. Doch auch ohne den stimmgewaltigen Iren heißt es abends regelmäßig „It‘s Showtime“. Herzstück des Vergnügens ist das Theatrium mit Platz für 1200 Personen und einer 360 Grad-Rundbühne, über der eine drei Meter breite LED-Kugel schwebt. Ich ziehe mich lieber zu einem „AIDA Spritz“ in die Lanai Bar am Heck zurück, die der gesellige Treffpunkt für den obligatorischen Sun-Downer ist. Ein hübscheres Plätzchen, um den Sonnenuntergang zu erleben, gibt es auf dem ganzen Schiff nicht.
Traum in weiß: die “Spray Bar”
Wer eine rauschende Partynacht erleben möchte, muss auf Deck 6: Im Nightfly Nachtclub sind Erwachsene unter sich, weil‘s auch mal frivoler zugehen kann; in der benachbarten Diskothek D6 wummern die Bässe bis tief in die Nacht. Mein Tipp für Heiratswillige: Die „Spray Bar“ ist ein Traum in Weiß, wo feinster Champagner fließt. Durch eine kleine Tür gelangen Verliebte ins Freie, wo sich fast automatisch ein bisschen Titanic-Kitsch-Gefühl einstellt: Und wer würde nicht gerne wie Jack und Rose am Bug des Schiffes fürs Foto posieren?
Kritik an Kreuzfahrten
Nur zwei Tage und doch so viele Bilder im Kopf. Ein entspanntes Frühstück in der Brasserie „French Kiss“; eine beschwingte Runde Shaffelboard an Deck, eine lockere Plauderei mit Braumeister Fabrizio Brall, der Seewasser in schäumenden Gerstensaft verwandelt. Ich habe keinen der 30 Sportkurse ausprobiert, habe mich auch nicht auf der Powerplate durchrütteln lassen und habe Friseur als auch Nail Studio links liegen lassen. Stattdessen habe ich einen Strandkorb ergattert und mir Gedanken gemacht, ob man guten Gewissens seinen Urlaub auf einem Kreuzfahrtschiff verbringen ist.
Denn unumstritten sind die riesigen schwimmenden Dörfer nicht: Für Umweltverbände wie den Nabu sind sie gar Dreckschleudern und Meeresvergifter, weil aus den Schornsteinen halt keineswegs nur saubere Luft kommt. Vor allem ultrafeine Rußpartikel, die als besonders gesundheitsgefährdend gelten, wurden in der Abgasfahne gemessen. Auch der jüngste Zuwachs der AIDA-Flotte fährt zeitweise noch mit herkömmlichem (und umstrittenem) Marinegasöl, das immerhin schon schwefelärmer als Schweröl ist. Dank seines Dual-Fuel-Motors kann das Schiff während seiner Hafenliegezeiten mit emissionsarmem Flüssigerdgas (LNG) betrieben werden – falls es die erforderlichen Versorgungseinrichtungen im jeweiligen Hafen auch gibt. Immerhin gibt es ein komplexes System zur Abgasnachbehandlung, mit dem Stickoxide in einem Katalysator gebunden und Ruß- und Brennstoffrückstände in einem Filter ausgefällt werden. Schwefeloxide werden ohne Zusatz von Chemikalien in einem Wäscher entfernt. Mit dieser Filter-Technologie – so die Reederei -können die Emissionen von Rußpartikeln, Stickoxiden sowie Schwefeloxiden um 90 bis 99 Prozent reduziert werden.
Der ökologische Fußabdruck
Doch seien wir ehrlich: 4000 Menschen auf einem Schiff zu transportieren, sie zu bespaßen und zu versorgen wird niemals „umweltfreundlich“ zu haben sein. Doch das gilt auch für Hotels, Flugzeuge, nicht zuletzt für das eigene Auto, mit dem man – natürlich alleine – zum Bäcker um die Ecke fährt. Wer seinen „ökologischen Fußabdruck“ minimieren möchte, wird seine ganze westliche Lebensweise in Frage stellen müssen, mit allen Annehmlichkeiten, die für uns so selbstverständlich sind. Und natürlich verbringt er seinen Urlaub dann am besten auf Balkonien und ist zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs. Falls ihr euren ökologischen Fußabdruck mal testen wollt: Hier geht’s zu eurem persönlichen Test.
Für alle, die die AIDAPerla auch in bewegten Bildern erleben möchten, hier ein kurzes Video von Captain Kreuzfahrt.
Hallo Roswitha,
sieht so aus, als wären wir uns quasi schon über den Weg gelaufen ;-)!
https://www.cruisediary.de/taufe-der-aidaperla/
Gruß
Carmen
Ja, da war ich dabei, war ein tolles Erlebnis, vor allem de Party am Pool.