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Neuseelands Fjorde: Willkommen in Mittelerde

Am frühen Morgen weckt uns die Stimme von Kreuzfahrtdirektor Patschke aus süßen Träumen. Der Milford Sound liegt vor uns. Wie elektrisiert hüpfe ich aus dem Bett, schlüpfe blitzschnell in Hosen und Shirt und greife vorsorglich zur Regenjacke.

Der Star des Fjordlandes: der Milford Sound

So schön es in Melbourne war: Der Blick aus dem Fenster verheißt nichts Gutes. Wie ein graues Leichentuch haben sich die tiefhängenden Wolken über den neuseeländischen Fjord gelegt, verschlucken alles und jeden. Man kann nur ahnen, welch grandiose Landschaft sich hinter dieser mystisch wirkenden Kulisse verbirgt, die Rudyard Kipling einmal als achtes Weltwunder bezeichnete.

Als Tolkin-Fan fühle ich mich wie im sagenhaften Mittelerde. Regisseur Peter Jackson muss es ähnlich ergangen sein. Der gebürtige Neuseeländer machte den Milford Sound in seiner “Herr der Ringe-Trilogie” kurzerhand zum Fangorn-Wald.

Sieben Meter Niederschlag im Jahr – kein Wunder, wenn du im Milford Sound solches Wetter hast.

Wasserfälle und exotische Pflanzen

Nur gelegentlich lichten sich die Schleier. Dann fällt der Blick auf steil aufragende Bergspitzen, an denen sich die Wolken der Tasmanischen See ballen. Hier machen sich regendurchtränkte Wälder voll exotischer Pflanzen breit, die in allen Grün-Nuancen leuchten. Hier donnern Hunderte von Wasserfällen herab, die wie feine weiße Adern die Haut des Berges überziehen.

An schönen Tagen spiegelt sich der fast 1700 Meter hohe Mitre Peak im tiefblauen Wassern, gesäumt von Bergriesen, die selbst im Sommer noch mit Schneefeldern aufwarten. Doch heute lässt sich dieses Postkartenmotiv nirgendwo entdecken.

So hätte ich den Milford Sound gerne gesehen – mit der Spiegelung des Mitre Peak im Wasser. Foto: Iain Urquhart

Sieben Meter Niederschlag im Jahr

Ein Gutes haben die ergiebigen Niederschläge, die hier nicht in Millimetern, sondern in Metern gemessen werden: Im Jahresdurchschnitt sind es sieben Meter. Wo sich kleine Rinnsale vereinigen, schwellen die Kaskaden zu gigantischen Säulen an, die sich brausend und schäumend in den 16 Kilometer langen Milford Sound stürzen.

Er ist der Star des 12.500 Quadratkilometer großen Nationalparks im äußersten Südwesten Neuseelands. Wer Natur erleben möchte, ohne die Überhitzungen der Zivilisation mit Autoverkehr, Menschenmassen und Handynetz, der muss das Fjordland mit seinen 14 Meeresarmen besuchen.

Ein Gutes haben Regentage: Unzählige Wasserfälle stürzen sich in den Sound.

Mit dem Kajak durch den Sound

Ich frage mich, wie lang Fotografen in dem gleichnamigen Ort zu Füßen der steilen Hänge verweilen müssen, um all die grandiosen Aufnahmen zu machen, die durchs Internet und durch Reiseführer geistern. Den Hobbyfotografen an Bord der “Vasco da Gama” wollen in diesem Gemengelage aus Nebelsuppe und Nieselregen keine guten Aufnahmen gelingen.

Immerhin ist es hinter der Glasscheibe des Salons schön trocken und angenehm warm. Die armen Kajakfahrer, die sich in ihren schnittigen Booten dem ein oder anderen Wasserfall nähern, werden dagegen wohl ganz schön nass. Von oben tröpfelt es unablässig, von vorn peitscht die Gischt.

Irgendwie hoffe ich für die Sportler, dass der einheimische Lotse mit seiner Vorhersage auf gutes Wetter am Nachmittag richtig liegt. Der Mann ist zwar kein Meteorologe, doch ein echter Kiwi wird sich doch wohl nicht irren.

So schön kann es in den Fjorden sein: hier der Doubtful Sound

Neuseelands Fjorde: das Werk von Gletschern

Für die Maoris, die vor gut 1000 Jahren auf der Inselgruppe am Ende der Welt landeten, steht fest: Ein solcher Schatz der Natur, wo Stein und Wasser verschmelzen, kann nur von einem Gott erschaffen worden sein. Der Legende nach meißelte Tu Te Raki Whanoa vor Urzeiten den ersten Fjord in das Felsengebirge, der zusammen mit den anderen Naturschönheiten von oben wie das verästelte Wurzelgeflecht eines Pilzes aussieht.

Die Erklärung der Geologen ist weniger prosaisch. Wie bei den norwegischen Fjorden sind Milfjord, Doubtful und die zwölf  anderen Sounds das Werk von eiszeitlichem Gletschern.

Riesigen Hobeln gleich frästen sie bis zu 400 Meter tiefe Schluchten in Gneis und Granit. Als das Eis schmolz, entstanden im Inland der Lake Te Anau, der Lake Manapouri und die anderen Seen. Die Täler in Küstennähe versanken im Meer.

 

Neuseelands Nationalpark Fjordland ist mit 12500 Quadratkilometern der größte des Landes.

Wandern auf dem Mildford Track

Mit dem Auto ist nur der Milford Sound, zu erreichen; die Straße folgt alten Handelswegen der Maori, die vor 500 Jahren Jade aus dem Fjordland zur Nordinsel brachten. Für die anderen benötigt man das Boot oder man schließt sich einem erfahrenen Führer an  bei der langen Wanderung durch tiefe Schluchten, vorbei an hohen Bergen und tosenden Wasserfällen.

Der 54 Kilometer lange Milford Track ist einer der bekanntesten und meistfrequentierten Wanderwege Neuseeland. Er führt über Hängebrücken und Holzstege zum Clinton Canyon mit seinen bis zu 2000 Meter aufsteigenden Felswänden sowie zum fast 600 Meter hohen Sutherland-Wasserfall.

Unwirklich schön: der Doubtful Sound, der tiefste Fjord im Fjordland

Der Doubtful Sound: Neuseelands tiefster Fjord

Was kaum einer der Passagiere für möglich hält: Vier Stunden später verwandelt sich das regenreiche Fjordland in ein sonniges Paradies. Mit jeder Seemeile, die sich die “Vasco da Gama” nach Süden vorarbeitet, werden die Wolken weniger.

Ein paar wenige umgarnen dekorativ die höchsten Gipfel, bevor auch sie vor der Kraft der Sonne und des Windes kapitulieren. Mit gemütlichen elf Knoten tuckert die Meereslady in den Doubtful Sound. Mit 420 Metern ist er der tiefste Fjord Neuseelands. Wir werden fast andächtig angesichts der unberührten Natur, der menschenleeren Wildnis, die James Cook 1770 auf seiner Weltumrundung erblickte.

Impressionen aus dem Fjordland

Fast senkrecht steigen die Hänge zu beiden Seiten des mäandernden Sunds in die Höhe; dahinter türmt sich die Zick-Zack-Silhouette schroffer Spitzen auf. Schneefelder funkeln in der Sonne.   Cook, der Weltumsegler, glaubte, dass sie “dort vielleicht seit den Tagen der Schöpfung gelegen haben”.

Wälder voller Silberfarn

Gurgelnde Bäche, weniger zahlreich als am Milford Sound, bannen sich ihren Weg durch undurchdringliche Wälder mit Gewächsen, deren Namen fremd klingen und deren Aussehen fremd erscheint: Rimu- und Totara-Bäume gedeihen hier, ebenso wie Beeches-Arten und der Silberfarn. Er kann bis zu zehn Meter groß werden und ist den Neuseeländern fast so wichtig wie der Kiwi und Old Mans Beart, eine Waldrebe.

Mittagspause mit Aussicht im Doubtful Sound

Der Dusky Sound: Neuseelands längster Fjors

Am späten Nachmittag biegt die “Vasco da Gama” in den Dusky Sound ab, Neuseelands längster Fjord. Kein Boot weit und breit, keine Menschenseele, nur ein paar Möwen gleiten elegant über die spiegelglatte See. Gelegentlich sollen Seelöwen auf sonnenbeschienenen Felsen herumlümmeln und  Delfine durch die Fluten pflügen. Doch kein tierischer Bewohner lässt sich blicken, noch vernehmen, nicht einmal der Bergpapagei Kea. Dessen “wilder Gesang” verschreckte schon Cooks Mitreisende.

Die meisten Passagiere der Vasco da Gama sind längst satt vom Sehen, wenden sich lieber dem Barbecue mit Krokodilspießchen und Kängurusteak zu. Ich stehe noch lange an der Reling, erfreue mich am Schattenspiel der Wolken, ergötze mich an der Vorstellung der Sonne. Am Ende bin ich bereit zu glauben, dass nicht die Natur dieses Paradies der Stille und Erhabenheit erschaffen hat, sonderrn ein göttlicher Baumeister.

Abschied vom Fjordland: Die Vasco da Gama auf ihrem Weg raus aus dem Dusky Sound

Was du über Neuseelands Fjordland wissen musst…

Der Fjordland-Nationalpark auf der Südinsel ist mit über 12 500 Quadratkilometern Fläche der größte Nationalpark des Landes und bildet zusammen mit dem Mount Aspring-, Mount Cook- und Westland-Nationalpark das international geschützte Unesco-Gebiet.

Wie kommst du zum Fjordland

Eine Straße gibt es nur zum Milford Sound. Er ist über den New Zealand State Highway 94 zu erreichen. Die mehrstündige Fahrt entlang des Lake Te Anau, durch das Eglington Valley und einen Teil der Darran Mountains ist ein Erlebnis. Zum Schluss geht es durch den Homer Tunnel.

Die übrigen Fjorde sind nur per Boot zu erreichen. Die Zahl der Kreuzfahrtschiffe wurde aus Umweltschutzgründen begrenzt. Das größte Kreuzfahrtschiff, das den Milford Sound je befahren hat, war im Jahr 2016 die 348 Meter lange “Ovation of the Seas” mit über 4900 Passagieren an Bord.

Menschenleere Wildnis: Am einfachsten sind die Fjorde per Boot zu erreichen.

Übernachten im Fjordland

In Milford Sound, der einzigen Siedlung, gibt es einige Pensionen für diejenigen, die länger bleiben wollen. Hier starten auch Touristenboote zu ihrer Tour durch den Fjord.

Da der Fjordland-Nationalpark ein wahrer Besuchermagnet ist, gibt es mehr als 50 Wanderhütten, darunter auch komfortable entlang der beliebten Great Walks. Am See Te Anau und in Manapouri gibt es verschiedene Übernachtungsangebote.

… einer der unzähligen Wasserfälle im Fjordland.

Wandern im Fjordland

Neuseeland hat neun “Great Walks” zu bieten, sozusagen die Besten der Besten. Drei der mehrtägigen Wanderabenteuer verlaufen durch den Fjordland-Nationalpark.

  1. Der Routeburn Track ist 32 Kilometer lang und gilt als mittelschwer. Drei Tage muss man für diese Wanderung vorbei an steilen Gipfeln, schäumenden Wasserfällen und kristallklaren Seen einplanen.
  2. Der 54 Kilometer lange Milford Track ist Neuseelands berühmtester Wanderweg. Vier Tage brauchst du, um zu erleben, was die Dichterin Blanche Baughan vor über 100 Jahren in einem Artikel im Londoner Spectator als “die schönste Wanderung der Welt” bezeichnete.
  3. Der 60 Kilometer lange Kepler Track liegt eingebettet zwischen den Seen Te Anau und Manapouri. Im Gegensatz zu den meisten anderen “Great Walks”, die auf historischen Pfaden beruhen, wurde der Kepler Track eigens für Wanderer angelegt.

 

Bei der Recherche wurde ich von Nicko Cruises unterstützt. Meine journalistische Unabhängigkeit bewahre ich mir trotzdem, denn ich bekomme kein Honorar. Wenn meine Zeilen begeistert klingen, dann weil mir Schiff und Tour gefallen haben. Dies ist meine persönliche Einschätzung.

Wenn du wissen möchtest, wie es auf unserer Seereise von Sydney nach Auckland weitergeht, schau einfach hier vorbei. Und hier gibt es noch mehr Impressionen von der 20-tägigen Seereise mit der Vasco da Gama.

Roswitha:
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